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Kleines Rohr, großes Feld: Zwischen Stier und Krebs - Druckversion

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Kleines Rohr, großes Feld: Zwischen Stier und Krebs - Wolfgang.F - 19.01.2017

Ein Blick aus dem Dachfenster zeigt einen wunderschönen Winter-Sternenhimmel. Ein Blick auf das Thermometer zeigt allerdings zapfige 8 Grad unter Null. Möchte ich da wirklich raus...?
 
In der Kälte die EQ 6 aufbauen, austarieren, einnorden, und dann vor allem wieder mit klammen Fingern abbauen? Nein. Der Dobson wäre eine Option, aber bis er ausgekühlt ist, bin ich es auch. Vermutlich bin ich bis dahin sogar schon deutlich unter meiner persönlichen Betriebstemperatur. Also hole ich den kleinen Orion ED 80 /600 raus und setze ihn auf meine Neuerwerbung, eine Skywatcher Discovery - Montierung. Das ist eine kleine azimutale Montierung, die ich eigentlich eher für die Sonnenbeobachtung gedacht habe, aber mit dem ED 80 harmoniert sie gut.
 
Die kurze Brennweite des kleinen Refraktors setzt Grenzen bei der Vergrößerung, aber sie ermöglicht ein weites Gesichtsfeld. Sie ist ideal für Panomarablicke und größere Objekte, irgendwo zwischen Fernglasperspektive und Teleskop. Mit dem Baader-Zoom bewege ich mich im Bereich von 25x bis 75x -facher Vergrößerung in der Region zwischen dem Stier und dem Krebs.
 
M1
Zu Beginn der Tour geht es zum "Krebsnebel" M1. Bei geringer Vergrößerung (30x) hebt er sich als klar abgegrenztes Nebelchen in einem weiten Feld vom Sternenhintergrund ab. Stufenweise fahre ich die Vergrößerung hoch. Struktur im Nebel ist kaum zu erkennen, aber die Kontur sticht deutlich heraus. Ein guter Start der Tour.
 
Sternhäufchen im Stier -ganz klein
Im Stier gibt es einige kleinere Sternhaufen, die ich mir eigentlich noch nie so richtig angeschaut habe. NGC 1746 wird im Deep Sky Atlas als "Sternwolke" geführt - es ist also kein wirklicher physischer Haufen. Bei rund 30x zeigt sich ein lockeres Häufchen kleiner Sterne. Noch etwas näher am Aldebaran liegt NGC 1647, ein "richtiger" offener Sternhaufen. Er ist kleiner und etwas enger als sein Nachbar und setzt sich vorwiegend aus schwachen, feinen Sternen zusammen. Auffällig sind zwei deutlich hellere Sterne am Rand, die einen leichten Farbunterschied weiß-bläulich und orange erkennen lassen. Von dort aus werfe ich einen Blick auf NGC 1807. Wenige, schwache Sterne sind linienhaft angeordnet. Insgesamt alles eher unspektakuläre Objekte, die im kleinen Refraktor vor allem durch die feinen Sternpünktchen  ihren Reiz haben.
 
Sternhaufen - ganz groß
Nach den ganzen kleinen Sternhäufchen geht es nun zu den richtig großen Objekten. Der Himmel ist richtig gut geworden: Kein Mond, recht gute Transparenz und ruhige Luft. Am kleinen Wagen kann ich mühelos das ganze Sternbild inklusive der kleineren Sterne sehen, am Orion ist der "Bogen" des Himmelsjägers klar zu erkennen.  
Die Plejaden M 45 passen gerade so in das Gesichtsfeld und bieten einen prachtvollen Anblick.  Sie leuchten bläulich, und ich meine, auch den einen oder anderen Reflexionsnebel erkannt zu haben. Dann dürfen die Klassiker im Fuhrmann einfach nicht fehlen: Vom ausgedehnten M 38 über die kleineren und kompakteren M 36 und 37 fahre ich die Sternhaufen ab. Tausend mal gesehen, aber ich komme einfach nicht dran vorbei Smile
 
Kurze Nebelrunde im Orion
Auch der Orionnebel muss einfach sein. Heute Nacht zeichnen sich selbst im kleinen Refraktor die Nebelstrukturen detailreich mit feinen Helligkeitsabstufungen ab. Bei etwas höherer Vergrößerung zerlegt sich das Trapez in vier feine Punkte, die kleineren Komponenten kann ich allerdings nicht mehr auflösen. Übrigens: Am Folgetag bei einer Führung auf der Nürnberger Sternwarte zeigte ein 10" Dobson unter dem aufgehellten Stadthimmel nicht annähernd die Details, die ich mit dem kleinen Refraktor erkennen konnte. Ein dunkler Himmel ist einfach durch nichts zu ersetzen...

Etwas genauer schaue ich mir diesmal NGC 1981 "Running Man" an. Auch hier hilft der dunkle Himmelshintergrund, Details zu erkennen. Der Nebel selbst leuchtet relativ hell, zeigt nach außen hin aber keine sehr klare Kontur. Die Dunkelwolke, die den "Running Man" bildet, kommt deutlich heraus. Die Figur des rennenden Männchens bekomme ich allerdings nicht so recht zustande...
 
Ein Abstecher zum Krebs
Der Krebs ist ja ein sehr schwaches Sternbild. Ich finde ihn am besten, wenn ich nach dem matten Schimmern der "Krippe" M 44 Ausschau halte, und dann die restlichen Sterne suche. M 44 passt bei geringer Vergößerung locker in das Gesichtsfeld: Recht helle Sterne in lockerer Anordnung, die mit etwas Fantasie tatsächlich an die Bienen eines "Beehive Clusters" (die englische Bezeichnung) erinnern. Zum Schluss geht es noch ein Stückchen runter zu M 67, ein lockeres Wölkchen feiner Sterne.
 
Mit ein paar Minuten Vorbereitungszeit kam immerhin eine gute Stunde Beobachtungszeit unter einem sehr guten Himmel zusammen - mit kalten Fingern, aber mit etwas mehr Abstand zur Alltags-Hektik und einigen schönen Eindrücken. Hat sich gelohnt Smile