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White Boys
#1
Seit längerem bekomme ich den Wunsch nach einem größeren Bino nicht mehr aus dem Kopf. Sehr, sehr beeindruckt war ich vor Jahren auf dem ITT von einer Beobachtung mit dem Fuji 40x150. Galaxien zeigten sich mit einer Deutlichkeit die überraschend war.
Bei dem Preis, Gewicht und den Umständen des Aufbaus kommt aber kein wirklicher Drang auf so ein Teil haben zu müssen.
Meine bislang größten geradesichtigen Bino´s waren ein Steiner 15x80 und Vixen 20x80.
Beide Geräte waren optisch nicht der „Brüller“, aber die Auswahl vor ca. 25 Jahren war auch nicht so riesig. Mein aktuelles Astroglas ist das Miauchi 15x60 oder auch PLEJADES 60 Model bs-60ic genannt. Zugeben fand das Glas nur selten Anwendung und dann meistens am Tage. Die wenigen Beobachtungen Nachts zeigten eine gute Sternabbildung über das Feld und Deep Sky mäßig „hauten“ mich die 60mm nicht vom Hocker.
Die gute mechanische Verarbeitung und Abbildungsleistung am Tage samt 45° Einblick, dabei leicht und kompakt, sowie auf dem Berlebach Report Stativ wackelfrei zu nutzen sind alles Pluspunkte. Stativ mit montiertem Miauchi sind leicht zu bewegen. Das ist sehr praktisch für das mal eben schnell aufbauen und kurz durchsehen.


Nun las ich vom 28x110 Großfernglas das unter vielen Namen angeboten wird. Da ist mir die Beobachtung mit dem Fujinon 40x150 eingefallen, wo 110mm Öffnung zumindest ansatzweise in die Richtung zeigen. Der Preis sehr moderat, so dass der gerade Einblick durch geeignete Montierung zu verschmerzen wäre. Tief ins All eintauchen wollte ich von meiner Terrasse aus bei freiem Südblick.... die Fantasie war beflügelt.
Das viele Lesen in deutschen und amerikanischen Foren zeigte dass praktisch immer eine Justage nötig war. Durch das Bauprinzip ist das nicht so einfach und auch andere Probleme wurden angesprochen. Durchaus gab es aber zufriedene User die in der Mehrheit bestätigten dass sich dieses Glas von üblichen Chinagläsern abhob.
Meine Versuche ein gut justiertes und auf beiden Augen scharfes Glas zu bekommen sind nun erstmal gescheitert.


Und da standen nun wieder ein Holzstativ mit alt-azimutaler Montierung sowie ungenutzte Okularpaare 1,25“ im Raum die eine Aufgabe suchten.


Bei den vielen Posts über Gläser wurde auch mal das Vixen BT 81 angesprochen. 45° und die Möglichkeit 1,25“ zu nutzen klang schon mal gut. Das Teil war auch „nur“ 4,1kg schwer und 490mm Länge akzeptabel. Eine f/ 5,9 Optik erschien mir für einen Achromaten auch sinniger als f/5 oder noch schnellere Optiken. Oft wurden 100mm Geräte beschrieben die nicht mit Top-70mm Optiken mitkamen usw. Groß und Gut wäre das APM 100mm ED Glas, was aber meinen Preisrahmen sprengt und vermutlich zu wenig genutzt wird.
Die Qualitätsspitze gibt vielleicht der Kowa 82mm Fluorit Highlander; allerdings kostet ein Okularpaar zum Wechseln mehr wie das Vixen BT 81!


Bei den alten 80mm Binos störte mich die schlechte Randabbildung mit Erfle-Okularen sowie die mäßige Mittenschärfe. Wenn das nicht passt braucht man sich über Farbfehler keine Gedanken zu machen. Also tiefer Eintauchen mit mehr Vergrößerung, größerem Eigengesichtsfeld und scharfer Abbildung bei moderatem Gewicht war für mich auch „sexy“. Eben nicht so groß, aber zum Ausgleich scharf und schlicht gut ist doch auch in Ordnung. Also bestellen und schauen....

   

Rein vom Aussehen und Anfassen machte der Vixen BT 81mm schon mal ein gute Figur.
Die Prismenschiene hat neben den typischen 1/4“ Bohrungen auch 3/8“ Gewinde oder kann direkt wie ein Teleskop geklemmt werden. Montiert auf der Skywatcher Montierung brachte ich die Panoptic Oklare 24mm an. Das ging recht streng und mittlerweile habe ich gelernt die Okulare beim Einstecken in die selbst klemmende Okularhülse zu drehen.
480mm Brennweite ergibt bei den Panoptik 24mm eine 20x Vergrößerung. Damit ist die Austrittspupille mit 4mm gleich der des Miauchis 15x60.
Der direkte Vergleich drängt sich natürlich auf...

   

First Light auf den „Geißberg“ gegenüber gerichtet und an Holzstickeln und Fichtenhölzern geprüft zeigten sofort den Farbfehler mit Blausaum am Vixen BT 81. Die absolute Bildmitte bleibt davon unberührt und es liegt viel am Einblick wie und ob Farbe gesehen wird. Beim Miauchi 15x60 ist das weniger auffällig, aber eben auch vorhanden. Bei einem zweiten Vergleich bemerkte ich beim Michauchi einen Lichthof der farblich gelb-grün erschien, während der Blausaum beim Vixen rein von der Farbgebung mehr ins Auge fällt. Besonders stark zum Gesichtsfeldrand hin wo eben die Weitwinkelokulare Ihren Beitrag dazu leisten.
Mit einfachen 25mm 40° Okularen ist das deutlich weniger ausgeprägt bzw. fast zu vernachlässigen.


Der Blick in die weite Landschaft wurde genutzt um an Bäumen in über 1000m Entfernung die Justage und das Gesichtfeld zu untersuchen. Der Vixen ist gut justiert und das Gesichtsfeld beider Geräte fast genau gleich. Die Weitwinkelokulare Panoptic 24mm sorgen dafür und lassen das Bild spektakulärer wirken. Als ich den weißen Vixen von außen betrachtete mit seinen zwei blauen Augen taufte ich das Geräte in Gedanken „White Boys“.
Im Gegenlicht die weite Landschaft mit den blühenden Bäumen im Blick verzeichnete ich zunächst merkwürdiges Streulicht. Beide Geräte zeigte es mit unterschiedlicher Ausprägung bis ich dahinter kam das es im Wesentlich nur eine Kombination des weißen Blütenmeeres mit Randunschärfe war, dass sich wie Streulicht benahm.


Die Geräte auf ein nahes Ziel gerichtet, das Nest eines Eichelhähers der selber tolle Farben auf seinem Federkleid zeigt. Hier zeigen die White Boys keine Falschfarben, aber eine erstaunliche Schärfe und räumliche Wahrnehmung. Feindetail ist sichtbar besser definiert als beim Miauchi, allerdings auch bei mehr Vergrößerung. Das kleine „Grünauge“ ist hier auch wunderbar und ohne den direkten Vergleich würde mir nichts fehlen, so aber lassen die White Boys teilweise vergessen durch ein Glas zu blicken und bringen den Betrachter direkt ins Geschehen.

   

Beide Gläser können am Tage in der Feldbeobachtung keine Spitzennoten erreichen, weil hier jeweils eine bessere Feldkorrektur und Farbkorrektur nötig wäre. In der Detailauflösung bei passenden Beleuchtungsbedingungen würde ich aber die „Whiteboys“ zu Spitzenteilen zählen und wie gesagt hat mich „Grünauge“ hier auch nie enttäuscht.
Hochauflösende Naturbeobachtung ein klares Ja; der schnelle Blick mit dem Grünauge Ja, die White Boys brauchen mehr Mühsal um in Stellung zu kommen.


Gesten war es dann klar und so blieben die Geräte gleich draußen. Jupiter war das erste Ziel. Alle Jupitermonde auf der linken Seite angeordnet. Grünauge wie gewohnt mit guter Sternabbildung und die vier Monde über das Feld punktförmig; auf Jupiter konnte ich keine Details ausmachen.
Die „White Boys“ zeigten bei 20x zwei Wolkenbänder auf Jupiter und die Monde wirkten ausgezeichnet scharf. Das Scharfstellen macht hier Vergnügen weil die Einzelfokussierung sehr gut läuft. Die Grenzgröße an Sternen lag zugunsten der 81mm, was aber kein dramatischer Unterschied ist. Dennoch fällt es einfach leichter schwächere Sterne zu halten oder zu sichten. Die Prismen scheinen den 81mm nichts wegzunehmen, sind aber knapp ausgelegt dass die Austrittspupille noch rund erscheint jedoch die Begrenzung dennoch erkennbar ist. Die Pupillen waren im Durchmesser auch 4mm soweit am Digitalmessschieber nachprüfbar.


Der Blick auf den Mond war dann doch erstaunlich und entgegen meinem Ansinnen ein Fernglas zu nutzen wollte ich wissen was passiert wenn 2 Delos 10mm eingesetzt werden.
Das Einsetzen gestaltete sich schwierig weil die Chromhülsen einen um 0,1mm größeren Durchmesser als die Panoptik lieferten. Die Tolerierung passt bei dem Gerät nicht gut zusammen. Der Beobachtungswille und sanfte Gewalt setzten die 10mm Delos ein die auch gut in den Fokus kamen. Die Art der Delosabbildung liefert nicht nur Weitwinkel sondern auch einen interessanten Space Walk Effekt. Leicht zu Überblicken und ohne Gesichtsfeldrand der aus dem Bewusstsein ausgeblendet wird.


Am Mond – wow! Nicht erwartete Details. Z.B. Plato war nicht nur uniform grau.
Mare Humorum mit seinem gekrümmten Graben zu Gassendi, dessen Zentralberg geteilt dargestellt wurde. Da bin ich nicht so schnell von den Okularen gekommen.


Dann zu Jupiter. Es gab mehr zu sehen bei 48x als nur zwei Bänder wenn ich genau hinsah. Ein Jupitermond zeigte sich farblich sichtbar anders, blauer, als seine Geschwister.
Das hatte ich so noch nie bemerkt, aber die Monde standen hier auch schön eng beisammen. Der Farbfehler ist sicher bemerkbar, aber so unaufdringlich dass es die Beobachtung nicht derart stört hier schwächer Vergrößern zu müssen oder zu wollen. Die Justage ließ das außerdem zu, gleichwohl der Hersteller empfiehlt längere Brennweiten als 10mm zu verwenden.
Störender war hier das bereits sichtbare Seeing und das doch regelmäßig nötige "Nachschubsen". Das hätte ich von einem Fernglas nun nicht erwartet.
Die Objektive würde ich als echte Astro Achromate bezeichnen, die auch mal höhere Vergrößerungen erlauben. Das halte ich bei „normalen“ Ferngläsern nicht für selbstverständlich und wegen fehlender Möglichkeit auch meißt nicht machbar. Die Schärfe sollte auch Spaß machen wenn das Trapez im Orion aufgelöst werden,-oder Sternhaufen prachtvoll erscheinen sollen. Aber das kann ich erst berichten wenn eine mondlose Nacht ansteht....

Beidäugige Grüße von Ralf und den "White Boys"
Folgenden 10 Usern gefällt Ralf's Beitrag:
Andreas Paul (20.04.2016), Andreas-TAL (19.04.2016), Christoph (20.04.2016), Florian B. (20.04.2016), Georg (24.04.2016), Herbipollution (21.04.2016), Karsten (29.04.2016), Ulf (20.04.2016), Uwe (20.04.2016), Wolfgang.F (20.04.2016)
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#2
Hallo Ralf,

ein interessanter Bericht und packend erzählt.
Am Anfang dachte ich, es läuft darauf hinaus, das Du bei den hart formulierten Kriterien, gar nicht anders kannst, als Dir Deinen Großfeldstecher selbst zu bauen. Denkste, schließlich bist Du doch noch an ein Gerät gekommen, dass kaum mehr Wünsche offenlässt.

Ich wünsch Dir viel Spaß mit den White Boys.
Gruß Martin
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#3
Hallo Ralf,

vielen Dank für den ausführlichen Bericht.  Daumen hoch 
Als Liebhaber binokularen Staunens habe ich mit Interesse, Aufmerksamkeit und Kopfnicken gelesen.

Möchte – Du weißt es – meine Okular-Paare um solche von sehr guter Abbildungsqualität ergänzen.
Höchstwahrscheinlich Takahashi Abbe – für einen Planetenstauner kommt kaum etwas anderes in Frage.
Alternativ TeleVue Plössl. Die Entscheidung treffe ich im direkten Vergleich, meine Tendenz geht jedoch
zu Tak Abbe – deren Transparenz soll einen Ticken besser sein.

Da werde ich nun auch darauf achten, geringe Vergrößerungen realisieren zu können.
Durch einen zweiten Glaswegkorrektur mit kürzerem Verlängerungsfaktor.

Plus einem dritten GWK für hohe Vergrößerungen – lieber einen weiteren GWK, als zusätzliche Okularpaare.
Mit Okularbrennweiten kleiner ca. 15 mm habe ich am Binokularansatz zudem sehr gemischte Erfahrungen gemacht.
Wenn die nicht exakt zueinander fluchtend in den Okularhülsen stecken, ist das Bild voll crazy
und vermittelt eine leise Ahnung davon, wie Marty Feldman möglicherweise die Welt wahrgenommen hat ... Confused

Natürlich lassen sich die Okulare mit drei am Umfang verteilten Klemmschräubchen fluchtend hinpfriemeln.
Aber darauf habe ich nun keinerlei Bock ... Cool

Zurück zum Thema, vielen Dank für Deine Schilderungen!
Allerdings werde ich bei meiner nächsten (natürlich binokularen) Mondbestaunung mal sehr bewußt auf Plato achten.
Bin mir ja nicht so sicher, ob Deine Beschreibung "Plato war nicht nur uniform grau"
nicht doch eher dem verwendeten Objektiv-Paar geschuldet war ... Big Grin

Viele Grüße,
Andreas
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#4
Hallo Andreas,
das Beste was ich bisher an Okularen für Planetenbeobachtung hatte und natürlich noch habe sind die Zeiss Abbe 25mm. Recht kurzbrennweitige Orthos liegen im Zwiespalt zwischen sehr guter Schärfe und grenzwertigem Einblickverhalten. Da muss jeder Beobachter seine individuelle Grenze herausfinden.

Plato ist in seinen bescheidenen Details sehr anspruchsvoll in welchem Winkel das Sonnenlicht einfällt. Probier mal wann, ob und wieviele Kleinkrater Du in Plato entdecken kannst.

CS
Ralf
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Andreas Paul (30.04.2016)
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Andreas Paul (30.04.2016)
#5
Hallo Binoschauer und solche die es werden wollen,
die "White Boys", also das Bino Vixen BT81-S hatte gestern seine erste richtige Deep Sky Nacht.
Die Nacht war kalt und bot ordentliche Durchsicht. Die Bedingungen waren eher winterlich, der Himmel jedoch mit seinen Frühjahrssternbildern präsent.

Der Löwe war denn auch das erste Ziel. Ich wollte herausfinden ob das Leo Triplet auch ein sichtbares Triplet mit 81mm Öffnung ist.
Zunächst M66, anschließend tauchte M65 im Gesichtsfeld auf und dann lange schauen.... Sokam immer öfters der Lichtfleck ins Bewußtsein, der NGC 3628 sein sollte. Indirekt Sehen mit beiden Augen ist auch etwas Besonderes und Gewinnbringendes. Ein Auge zugehalten und die Sichtung gelang nicht mehr.

Nach etwas Suchen fand ich M96 und einen Lichtfleck darüber. Die Galaxien standen auch nicht exakt da wo ich Sie vermutete; die Bilddrehung des Sternbildes zur Sternkarte fiel mir schwer. Aber was ist nun was. Nach längerem Schauen war es dann aber nicht schwer M96 und M95 zu erkennen; darüber dann erstmal nicht aufgelöst M 105 und NGC3384. Beobachtet wurde bei 20x mit den Panoptic. Stellenweise bildete ich mir ein die beiden Galaxien etwas trennen zu können, aber vielleicht auch nur eingebildet.

NGC 2903 war dagegen ein leichtes Objekt am Kopf des Löwen; viel leichter als einige Messiers.

Am Schwanz des Löwen dann ein großer Galaxienzoo einfach durch herumschwenken und Schauen. Ich machte mir nicht die Mühe herauszufinden welche Galaxie gerade zu sehen war. Bei den Temperaturen fehlt mir hier die Muße.

Schließlich ein Schwenk zu M13, der mit 20x wie eine helle Galaxie erschien, jedoch andeutungsweise mit Sternengesprenkel. Ich weiß eben dass es ein Kugelsternhaufen ist Undecided

Richtig Spaß machte mir die Vielzahl von Sternen im Gesichtsfeld und das Gefühl durch ein Teleskop zu sehen. Tief eintauchen geht tatsächlich und ich bin nicht enttäuscht. Das Binoschauen macht doch etwas an Öffnung gut so dass sich mir die Frage stellt wieviel Öffnung braucht ein Refraktor um die gleiche DeepSky Leistung zu bringen.
Wobei Binoschauen sicher eine besondere Genußform für große Felder darstellt. Es ist eine nette Ergänzung zu üblichen Teleskopen, ohne diese ersetzen zu wollen oder können.


Besten Gruß
Ralf
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Andreas Paul (29.04.2016), Andreas-TAL (29.04.2016), Christoph (29.04.2016), Herbipollution (04.05.2016)
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