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CEM60 Montierung - Druckversion

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CEM60 Montierung - Andreas-TAL - 20.12.2015

In der letzten Zeit war ich hier nicht allzu aktiv - das hat mehrere Gründe. Zum einen meine Bequemlichkeit - der innere Schweinehund hat oft gewonnen, dann war ich einige Zeit montierungslos und jetzt stehen auch noch paar Umbauarbeiten an. Aber zumindest ist ein Teil der Arbeiten abgeschlossen, so dass ich mal wieder einen Beitrag, in dem Fall mit ein paar Neuerungen, einstellen kann:

"Das Teil wird mir einfach zu schwer" wurde in letzter Zeit immer mehr zu Fazit der Beobachtungsnächte. Gemeint war meine EQ6 mit 16kg Eigengewicht - nochmal deutlich über den Eigengewicht meines TAL-250K. Und mir reicht eben schon ein solches gewichtiges Teil ...
 
Kriterien
Damit ist aber das Hauptproblem schon genannt. Der Tubus des 10" Klevtsov bringt 13.7 kg auf die Waage. Je nach Ausrüstung muss man dann eben noch 2 - 2.5 kg addieren und recht genau bei diesem Gewicht gibt es bei den Montierungen offenbar eine Trennlinie. Will sagen: Es gibt zahlreiche gute und recht leichte und bezahlbare Montierungen, die so 10-12 kg (echt und nicht nach Datenblatt) sicher und stabil tragen, aber kaum noch welche die a) noch einigermaßen günstig, b) leichter als eine EQ6 und c) zuverlässig eine Traglast von 16 kg zuverlässig meistern.
 
Entscheidungsfindung
Bei meiner Recherche bin ich schon 2014 auf die US-amerikanische Firma iOptron gestoßen, die zwar in Massachusetts beheimatet ist, aber in China fertigt.
 
   
 
Was ihnen eine Sonderstellung verleiht, sind die außergewöhnlichen Montierung-Designs, die sie entwickelt haben. Damals war aber nur die iEQ45 auf dem Markt und deren PRO Version erst angekündigt. Die Tragkraft würde auf dem Papier zwar so gerade noch passen, aber das ist ja immer so eine Sache.
 
Aber ein Jahr später stieß ich jetzt bei iOptron auf eine Montierung, die sich CEM60 nannte und ein sehr "schräges" Design hatte in das ich mich erst mal Hineinsehen und Hineindenken musste. Dann aber ... und nach dem Lesen von vielen Testberichten, Reviews, Nutzermeinungen (meist auf CloudyNights) wurde das Teil für mich interessant. Die CEM60 gibt es in zwei Versionen (Stand 11/2015), einer "Normalversion" und einer "encodergestützten Version". Encoder machen vor allem Sinn, wenn man bei Astrofotografie auf das Guiding verzichten will (so a la TDM). Für eine Montierung mit Encoder ist die CEM60-EC zwar sehr günstig, aber für mich völlig überflüssig. Mir kam es ja vor allem auf die Relation Tragkraft - Eigengewicht an.
 
   
 
Die Tragkraft war mit 60 lbs (~28kg) so hoch angegeben, dass sie hoffentlich 50% davon auf jeden Fall trägt (zudem mit dem sehr kurzen Hebel beim TAL-250K und einem Berlebach Planet Stativ darunter). Das Eigengewicht der Montierung ist mit rund 12.4 kg sehr interessant, ein sehr guter Polsucher der nach der Beschreibung den der EQ6 weit hinter sich lässt, ein sehr präzises GoTo schon mit einem One-Star-Alignment (das klassische 3-Star-Alignment was auch den Konusfehler noch ausgleicht wurde mittlerweile per Firmware-Update nachgeliefert), ein heizbarer Handcontroller (OK, das ist hier ein netter Gimmick, aber die Finnen sind begeistert davon) mit einem großem Display und eine sehr intuitive Softwareführung (im Vergleich zur SkyScan/SynScan) ließen mich noch weiter aufhorchen. Dazu kommt - den Reviews nach - noch ein schneller und kompetenter Support, eine sehr leise Arbeitsweise, die doppelte Klemmung im Montierungsschuh (Vixen/Losmandy), ein anscheinend sehr zuverlässig funktionierendes GPS was die Einstellung der Koordinaten, Datum und Uhrzeit überflüssig macht und eine recht hohe Genauigkeit (der PE der Schnecke in RA liegt bei +/- 5").
Den letzten Ausschlag hat dann TS gegeben, das mir dann auch noch einen akzeptablen Preis darstellen konnte.

   
 
Unpacking und die Bedienungsanleitung
Das ganze Equipment kam mit drei großen Paketen an (9.5kg Gegengewicht, Berlebach Stativ, Montierung). Nach den positiven Erfahrungen mit dem Berlebach-Planet Stativ unter der EQ6 wollte ich auf keinen Fall auf diesen Zugewinn an Stabilität verzichten. Die Umrüstung meines vorhandenen Stativs käme aber so teuer, dass es tatsächlich sinnvoller war, das alte Stativ mit der EQ6 zu verkaufen und es passend neu zu bestellen. Nun, so kann man auch Umsatz generieren ...
Die fast 10kg Gegengewicht in einem 150mm Durchmesser fassenden Gewicht mit 28mm Bohrung sind schon ein Hammer und ehrlicherweise auch sehr unhandlich. Dazu später dann noch mehr.
 
   
 
Die Montierung kam in einem extra Alu-Transportkoffer mit passend ausgeschnittenen Konturen in einer Art hartem Schaumgummi. Durch die Forenberichte auf CloudyNights sensibilisiert, hatte ich mir schon vorher das umfassende Servicemanual und den QuickStart Guide (QSG) heruntergeladen und wiederholt gelesen. Der QSG war auch in einer deutschen Übersetzung dabei, aber im Vergleich zur ausführlichen englischen Dokumentation schon arg rudimentär. Also hielt ich mich lieber an das "Fully Manual".

   

Zunächst staunte ich aber über die Kompaktheit der Montierung und versuchte im geöffneten Koffer mit den Augen möglichst viele Dinge zu identifizieren ohne sie erst einmal anzutasten. Grund war das - für mich völlig neue - magnetische Klemmsystem zwischen Scheckenwurm und Zahnrad. In der Anleitung spielen bei dem "gear system" die Begriffe "engaged" (geklemmt, eingekuppelt) und "disengaged" (gelöst, ausgekuppelt) eine wichtige Rolle. In der ausführlichen Anleitung wird wiederholt darauf hingewiesen, dass eine unsachgemäße Behandlung der Montierung (was sich an der Klemmposition "engaged" statt "disengaged" festmacht) zu einer Beschädigung der Schnecke führt. Da schlich sich bei mir nun doch langsam etwas die Sorge ein, ob die Montierung nicht vielleicht doch ein hochgezüchtetes Labor-Sensibelchen, mit wenig Praxisbezug in den Anforderungen "auf dem Feld" sein könnte.
 
Nach wiederholtem Lesen, Betrachten, Nachfragen ... stellte sich das aber als recht unbegründet heraus. Letztlich waren es die "üblichen" Bedienungshinweise, die man auch bei Montierungen mit anderem Klemmsystem findet. Also Klemmen lösen beim Transport, Klemmen feststellen beim Laden der Optik, Vorsicht walten lassen im unausbalancierten Zustand beim Öffnen der Klemme(n) nur halt übertragen in die Termini "eingekuppelt" und "ausgekuppelt" und bezogen auf diese spezielle Antriebstechnik.
Ergo sollte man sich erst mal mit diesem Antriebs- und Klemmsystem vertraut machen.
 
"Engaged" und "Disengaged"
Grundsätzlich ist die CEM60 eine Montierung mit Schrittmotoren und Riemenantrieb. Der Riemenantrieb dreht eine Präzisionsschnecke mit einer Periode von 180 Sekunden, die wiederum in ein Zahnrad auf der jeweiligen Achse greift und diese bewegt. Die Geschwindigkeit reicht dabei von 1x (in allen Variationen wie King, sideral, lunar ...) bis zu 9x was 3.75 Grad pro Sekunde entspricht (mittlerweile ist das, glaube ich, per Firmware-Update auf 4.5 Grad pro Sekunde angestiegen). Dabei ist die die CEM60 auch in ihrer höchsten Schwenkgeschwindigkeit noch nahezu flüsterleise, so dass sie definitiv für den Einsatz in Wohnbebauung geeignet ist. Nicht immer selbstverständlich, wenn ich mich an meine EQ6 und ihre schnarrenden Getriebegeräusche erinnere.
Neu ist auch, dass starke Dauermagnete die Verbindung zwischen Zahnrad und Schnecke sichern und zwar so fest, dass in dieser "engaged" Position die Montierung absolut unbeweglich geklemmt ist. Dem gegenüber steht eine "disengaged" Stellung, bei der die Schnecke aus dem Zahnrad "herausgezogen" wird, so dass die Montierung nun völlig freigängig ist.
 
   
 
Die Veränderung zwischen den beiden Positionen übernimmt ein Drehknopf am Gehäuse, der gegen die Magnete arbeitet. Für den Betrieb der Montierung muss man eine Position der Schnecke finden, bei der die Montierung widerstandslos durch die Motoren bewegt werden kann, die aber weder zu locker (erzeugt Backlash) noch zu fest ist (bei den Motoren löst dann eine Rutschkupplung aus).
Faktisch stellt man also mit diesem System das Schneckenspiel ein, was auch sehr zuverlässig gelingt. Faustregel: Festdrehen (fully engaged), dann wieder 1/8 bis 1/4 Umdrehung lösen -> perfekte Postion und tatsächlich ohne Backlash.
 
Design
Schon beim ersten Blick auf die Montierung, fällt deren ungewöhnliche Konstruktion auf. Irgendwie schon parallaktisch, aber doch auch anders. Faktisch ist die RA-Achse geteilt: Eine Hälfte nimmt die Traglast auf, die andere das Gegengewicht. Dadurch entsteht so etwas wie eine englische Gabelmontierung für die Traglast, die aber an anderer Stelle durch die Gegengewichtsstange ausgeglichen wird.
 
   
 
Wird die Achse, die die Gabel trägt, nun auf den Pol ausgerichtet hat man eine parallaktische "CEnterbalanced Mount". Der Vorteil dieser Konstruktion besteht darin, dass der Schwerpunkt der Montierung faktisch auch über dem Schwerpunkt des Stativs liegt. Bei der klassischen deutschen parallaktischen Montierung ist das ja nicht so.
Natürlich kann bei einer deutschen parallaktischen Montierung (besser: muss man) mit den Gegengewichten einen Schwerpunkt über der Stativmitte schaffen (sonst würde das ja kippen). Aber dieser (virtuelle) Schwerpunkt liegt an einer Stelle, wo die Montierung selbst ihren Schwerpunkt (ihre "Mitte") nicht hat. Das ist natürlich ungünstig, weil man so gezwungenermaßen die Montierung "schwächt", aber eben unvermeidlich.
Bei der CEM60 sind die Schwerpunkte (Stativ, Montierung, beladene und ausgeglichene Montierung) nahezu identisch. Als Resultat kann man ein geringeres Gewicht, bei annähernd gleicher Steifigkeit realisieren und hat deutlich kürzere Hebelverhältnisse.
 
Traglast
Das obige führt zur optimistischen Prognose einer rechnerischen Tragkraft rund 60 lbs (~28 kg). Das ist natürlich auch (oder vor allem?) als Kampfansage an die G11 von Losmandy zu verstehen, die in etwa dieselbe Traglast, aber bei deutlich höherem Gewicht und Preis (vor allem in der vergleichbaren Gemini Version) aufweist, aber natürlich eine ellenlange Reputation hat und mit Wertigkeit, Steifigkeit und US-amerikanischer Produktion punkten kann.
 
Ob diese Traglastangabe von iOptron ein geschickter Schachzug war oder eher ein Bumerang wird, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Aus Kanada habe ich habe die Rückmeldung, dass ein dortiger Astro-Verein die CEM60 mit einem C14 stationär auf einer Betonsäule seit einem Jahr nutzt und das visuell OK geht. Grundsätzlich ist das also keine reine Fantasie ...
Allerdings gibt es auch Rückmeldungen aus der Praxis die deutlich machen, dass 20kg plus X Traglast bei einem Teleskop nicht unbedingt 20kg plus X mit einem anderen Teleskop bedeuten. Kritisch wird es vor allem - wie sollte es auch anders sein - bei langen Hebelverhältnissen, also Fraunhofer-, ED-, APO- oder langbrennweitigen Newtonteleskopen.
Hier fehlen dann anscheinend doch Masse und große Querschnitte in der Montierung, die so ein Teil dann aber eben auch schwerer und voluminöser machen.
Bisheriges Fazit der Traglastdiskussion: Teleskope über 20kg sind noch gut möglich, notwendig ist aber ein ziemlich kompaktes Massezentrum über der Montierung. Kommen lange Hebelverhältnisse auf, geht das zur Lasten der Tragfähigkeit.
Zusätzlich ist ein qualitativ hochwertiges Stativ unter der Montierung Pflicht, wenn man auf Traglasten über 20kg abzielt. Ziemlich problemlos agiert die CEM60 im Bereich bis 14kg.
 
Da mein TAL-250K in der Summe mit dem jeweils schwersten Equipment, vielleicht 15-16kg auf die Waage bringt, sehr kurzbauend ist und das Berlebach Planet als Stativ auch noch seinen Teil zur Stabilität beiträgt, war ich sehr optimistisch, dass das ein "good match" sein würde.

OK, nachdem ich grade bemerke, dass nur 12 Attachments pro Beitrag erlaubt sind, setze ich das mal mit einem zweiten Beitrag fort. Und jetzt hängt auch noch der Server (Serverload-Limit Fehlermeldung). Ich hoffe mal ich bekomme das noch hochgeladen, bzw. den bisherigen Beitrag korrigiert. Sieht momentan etwas seltsam aus, so unkorrigiert ...

PS, bzw. EDIT: Für die Interessierten hänge ich mal ein auf die schnelle gemachtes Foto des Schneckenfehlers an.

   

Der liegt bei meiner CEM60 genau bei +/- 5" (manch´ ein anderer CEM60 Besitzer hat auch schon +/- 3"). Für mich ist das nicht sonderlich entscheidend, da ich ja eigentlich fast nur visuell unterwegs bin. Und wenn sich mal meine Vorlieben ändern, dann freue mich mich über die wunderbare ganz langsam und gleichmäßig steigenden/fallende Kurve. Wobei das nur der per Encoder gemessene alleinige Fehler der Schnecke ist - es gibt ja noch ein paar weitere Bauteile die den noch zusätzlich beeinflussen. Rein in der Theorie schwelgend könnte man sogar folgern, dass da in 20-25 sek. nur 2" Abweichung auflaufen. Aber wie gesagt ... reine Theorie. Wobei es ein paar Berichte  auf CloudyNights gibt, wo bis 500mm Brennweite ungeguidet rund 1-2 Minuten mit der CEM60 funktionieren. Vielleicht juckts mich irgendwann doch mal ...


RE: CEM60 Montierung - Andreas-TAL - 20.12.2015

Uff, hat geklappt. Na dann die Fortsetzung ..
 
Bench Testing - also sowas wie "First Move"
Nach langem, ehrfürchtigen bestaunen (na ja, eher aus Sicherheitsgründen), baute ich die Montierung dann im Innenraum auf. Was mir sofort auffiel war, wie "leicht" sie daherkam. Noch die EQ6 gewohnt, nahm ich - fast wie ein Gewichtheber beim Reißen -, das Teil aus dem Koffer und hätte sie fast mit einem Ruck über Schulterhöhe gehoben. Also gemach, gemach ...
Die RA Achse muss dabei vorher fixiert ("engaged") werden, was sich mir durch Logik nicht gleich erschloss. Im Koffer, beim Transport soll sie nämlich gelöst sein...
Würde man dann nicht durch das Herausheben (natürlich nur im dümmsten Fall, aber nach Murphy passiert der ja in schöner Regelmäßkeit) ganz ungünstige Hebelkräfte auf Schnecke und Zahnrad wirken lassen, die eben zu vermeiden wären?
Ja, sagt Radio Eriwan, aber ... im gelösten Zustand wäre die Montierung in sich frei drehbar und könnte (qua Konstruktion kann sie ja mit sich selbst kollidieren) mit ziemlicher Wucht gegen die innen liegenden (mechanischen) Anschläge knallen. Diese müssen ja sein, da innerhalb der Montierung zahlreiche Kabel laufen (4xUSB, 2x12V, 1x6P6C) und könnte man die Achsen komplett rotieren würde man die Kabel verzwirbeln und abreißen.
 
   
 
Also ist eben vorher Schluss, weil das interne Kabelmanagement dies fordert. Für die Bedienung ist dies egal, weil man ja irgendwann sowieso den Meridianschwenk hat, der dann auch die Kabelsituation entspannt.
Also ist das kleinere Übel die Klemmung beim Herausheben.
Prinzipiell kann der Meridianschwenk übrigens durch die Software unterdrückt werden (bis zu einem gewissen Zeit- und Drehpunkt, dann stoppt die Montierung grundsätzlich), was aber ja vor allem für Fotografen  ein interessantes Feature ist.
 
Die Montierung war dann ziemlich zügig auf dem Stativ aufgebaut. Gewöhnungsbedürftig ist, dass es keine zentrale Schraube zur Fixierung gibt und auch der Polzapfen entfällt. Stattdessen gibt es auf dem Adapter lediglich einen zentralen, glatten Zapfen für die Mitteposition und zwei Ost/West-Gewindezapfen, die seitlich durch die Basisplatte ragen und mit denen die Montierung dann von oben fixiert wird. Diese beiden Zapfen dienen auch dazu die Montierung über zwei Rändelschrauben in die Nordrichtung zu drehen (das geschieht ja sonst an dem einen Polzapfen).
 
   
 
Gleichzeitig wird über diese beiden Gewindezapfen die Montierung am Stativ befestigt. Zwei Hülsen mit passenden Innengewinde können von oben aufgeschraubt werden und werden zur endgültigen Fixierung einem an der Montierung befindlichen passendes Werkzeug (das macht daraus eine Art Knebelhülse) festgezogen.
 
   
 
   
 
Eine 28mm Gegengewichtsstange wird als nächstes an die Monierung geschraubt und die Gegengewichte gleiten beängstigend nah an der Stativbasis vorbei. Aber in unseren Breitengraden müssen keine Maßnahmen getroffen werden um eine Kollision des Gegengewichts mit dem Stativkopf zu vermeiden. Bei niedrigeren Breitengraden schon. Dann muss man die Stange ein Stück weit nach vorne (von der Montierung weg) gekippt werden, damit der Abstand wieder steigt.
Die Gegengewichtsstange aus gebürsteten Edelstahl ist bereits selbst recht schwer. Das hat seinen Grund darin, dass sie selbst schon als Gegengewicht dient und die unbeladene Montierung mit ihr perfekt ausbalanciert ist.
 
   
 
Die Montierung liegt im Koffer in der 0-Grad-Position, da das die platzsparendste Position ist. Also muss (dass ist gewöhnungsbedürftig) jedesmal die Polhöhe neu eingestellt werden.
 
   
 
Im unbeladenen Zustand geht das aber per Hand sehr schnell: An der Montierungsbasis ist ein Sterngriff mit Schnecke, die in einen großen Zahnradbogen eingreift, mit dem man den Breitengrad der Montierung einstellt. Sollte allerdings bereits Gewicht auf der Montierung lasten, kann man die Schnecke per Hand aber nicht mehr drehen. Dann benötigt man wieder diesen Werkzeug-Stab, der dann seitlich in den Sterngriff gesteckt wird und daraus eine Art Knebelschraube macht.  So bekommt man auch eine voll beladene Montierung über große Strecken nach oben. Grundsätzlich sollte man aber wohl lieber die unbeladene Montierung grob Einnorden, beladen, die letzten kleinen Korrekturen vornehmen und danach die Polhöhe fixieren.
 
   
 
Polsucher
Der Polsucher dieser Montierung macht soviel Spaß, dass es eigentlich bedauerlich ist, das man das Einnorden nur einmal am Abend machen muss.
 
   
 
Das dahinter stehende Prinzip ist ganz einfach: Auf dem Display der Handbox wird (Uhrzeit, Position und Datum liefert ja das GPS-Signal) für diese Daten die Position von Polaris mit einer Linie (die wie der Stundenzeiger einer Uhr fungiert) und einer "Zeitangabe" auf einem 12-Std. Ziffernblatt dargestellt. Also bei 12:00 Uhr ist Polaris genau über dem Fadenkreuz, bei 4:30 steht er schräg unterhalb, ist er links, leicht oberhalb vom Fadenkreuz, dann würde die passende Zeitangabe wohl etwa 9:40 Uhr lauten.
Der korrekte Abstand von der Achse wird durch eine Zahl zwischen 36-44 (Bogenminuten) angegeben. Einnorden heißt einfach diese zwei Zahlen über die Handbox abrufen (bzw. den Richtungspfeil ansehen), Polaris auf diese Uhrzeit und in diesem Abstand zum Zentrum einstellen - Fertig.

   

Fazit: Wenn Polaris im Gesichtsfeld des Polsucher zu sehen ist, ist die Montierung in rund 20-30 Sekunden auf 2-3 Bogenminuten genau, manchmal noch genauer, eingenordet. So wie oben sieht auch der Einblick in den Polsucher aus.
 
Zusätzlich gibt es eine Software-Routine um die Polausrichtung auch ohne Sicht auf Polaris durchzuführen. Hierzu wird dann iterativ mit der Hilfe von anderen Alignment-Sternen eine Polausrichtung durchgeführt. An meinen bisherigen Beobachtungsplätzen ist dies aber nicht notwendig, Polaris ist immer zu sehen.
 
Gegengewichte
Mit meiner bisherigen EQ6 benötigte ich rund 15 Kilo Gegengewicht fast am Ende der EQ6 Gegengewichtsstange, um meinen etwa gleich schweren Klevtsov auszubalancieren. Die Hoffnung war groß, dass das bei der CEM60 mitgelieferte 9,5kg Gewicht (22 lbs.) ausreichen könnte. Leider war dem nicht so. In der äußersten Position fehlten noch rund 500-700 gr. Anfangs war ich enttäuscht, dass ich nun doch wieder mit mehreren Gegengewichten hantieren musste, aber diese Enttäuschung wandelte sich bald. Ich empfand nämlich das Beladen der Gegengewichtsstange mit dem 9,5 Kilo Brocken als ziemlich unangenehm. Das Teil ist wirklich schwer und wenn man die Klemmung anzieht muss man es irgendwann, zwar nur kurz aber dennoch, mit einer Hand sichern - das ist unangenehm.
 
   
 
Deswegen habe ich ein paar andere Varianten durchgerechnet. Die Schwierigkeit bestand darin, eine Lösung zu finden, die sowohl meinem Klevtsov (16kg mit Equipment), meine leichteren Teleskope (Intes Micro M615 und ein umgebauter 6" Vixen Newton), wie vielleicht auch noch eine (zukünftig) schwerere Traglast (die CEM60 trägt ja über 20kg) ausgleicht. Es wurde schnell klar, dass alle Varianten am besten mit zwei oder eben drei deutlich leichteren Gegengewichten funktionieren.
 
Da ich ein Freund von grundsätzlichen Lösungen bin, beschaffte ich mir drei passend hergestellte Edelstahlgewichte mit jeweils 5.5kg. Zwei Stück müssten ganz außen für meinen Klevtsov reichen und wenn mal doch mehr Equipment drauf ist, dann tuen drei Stück ziemlich weit oben auch einen guten Job.
 
   
 
Support
An der Stelle muss ich auch auf einen weiteren Kaufgrund für die CEM60 eingehen, nämlich den hervorragenden und schnellen Support. Die Rückmeldung von iOptron auf jede Frage war tatsächlich innerhalb von 6 Stunden (meist viel schneller) da, die Antworten waren kompetent und im Bedarfsfall gab es ausführliche, bebilderte Erläuterungen dazu. Auch bei der Nachfrage nach den Gegengewichten war nach 3 Stunden klar welche Gegengewichte an welcher Position eine 10" Optik mit 14,16 oder 18kg Eigengewicht ausbalancieren. Kein Wunder, dass ich auch weitere Fragen sicherheitshalber mit der Support abklärte, z.B. Justage  des Polsuchers, Wirkung von "engaged" und "disengaged", Beladung, Übersetzungsfehler in der Schnellstart-Anleitung usw. Gerade den prompten Support empfinde als großen Pluspunkt. Auf die Antwort von zwei Supportanfragen direkt an Skywatcher (vor zwei Jahren) warte ich heute noch ...
 
Natürlich: Grundsätzlich nützt der Support nichts, wenn die Montierung selbst fehlerhaft ist, aber nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren, entsteht ein Teil dieser Probleme eher durch einen voreiligen, unsachgemäßen Umgang oder Eingriff. Das verhindert der schnelle und gute Support definitiv.

Jetzt hoffe ich mal, dass ich relativ zügig von den Trockenübungen zur Praxis komme. Mein Klevtsov passt noch nicht drauf, weil ich dessen Adapterschiene ändere (siehe grundsätzliche Lösungen), aber mit dem kleinen Intes Maksutov geht ja auch bestimmt was.

Andreas-TAL


RE: CEM60 Montierung - Herbipollution - 22.12.2015

Hallo Andreas,

Klasse dass du die neue Montierung so ausführlich für uns beschreibst. Das sollte ich mit meiner neuen Vixen SXP auch machen...

Ich hatte davor die iOptron IEQ45. Leider waren meine Erfahrungen mit dieser Montierung nicht ganz so positiv. Mein 10" ACF wiegt mit Zubehör 15kg. Diese Last ist für die Montierung gerade einen "Tick" zu viel, obwohl sie offiziell 20kg tragen sollte. Die Ausschwingzeit und die Verwindungen haben mich auf Dauer gestört. Was aber noch nerviger war, ist der Umstand dass buchstäblich alles an dieser Montierung erst durch mich justiert und eingestellt werden musste. Die Schneckenräder hatten zu viel achsiales Spiel, also musste ich den Antrieb komplett auseinander nehmen. Der Polsucher war um mehr als 1/2 Grad ! gegen die RA-Achse verkippt. Beim Scharfstellen des Okulars des Polsuchers auf die beleuchtete Scheibe muss man es so weit herausdrehen, dass es stark kippelt, also O-Ringe unterlegen. Die Dosenlibelle in der Basisplatte war schief eingeklebt und somit unbrauchbar. Nach einigen Monaten Benutzung rosten die ersten Schrauben und die Frontscheibe des Handdisplays ist abgefallen. Die Spielzeug-Telefonsteckerchen an den Verbindungskabeln geben langsam den Geist auf und das Kabel für die Stromversorgung steckt so lose in der Buchse, dass es leicht herausfällt und dann ist natürlich das Alignment futsch...

So wie es nach deiner Beschreibung aussieht, hat man aber wohl dazugelernt in China.


Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht

Frank


RE: CEM60 Montierung - Andreas-TAL - 23.12.2015

Hallo Frank!

Oh, du hast eine SXP von Vixen. Dazu würden mich wirklich einige Rückmeldungen interessieren.
Die war nämlich auch auf meiner Liste der infragekommenden Montierungen, aber da sie noch ein Stück teurer ist als die CEM 60 war für mich nur Gebrauchtkauf interessant und da ist schlichtweg nichts aufgetaucht.

Außerdem war (und bin) ich mir nicht ganz sicher ob ich das Starbook 10  wirklich mag. An dem scheinen sich ja die Geister zu scheiden.  Wie ist es denn mit der Tragkraft der SXP bestellt? VIXEN macht ja normalerweise sehr konservativen Angaben, so dass die übliche Formel: Halbieren und dann wieder etwas dazugeben, deutlich großzügiger ausgelegt werden kann.

Aber mit den 16kg meines TAL-250K mit Zubehör wäre ich eben schon 100% am Limit gewesen. Genial ist natürlich, dass die SXP mit deutlich weniger Gegengewicht auskommt. Rund 11kg brauche ich mit der CEM60 für meinen Klevtsov dann eben doch auf der Gegengewichtsstange ganz unten, oder entsprechend mehr wenn ich das Gewicht nach oben an die Montierung heranrücke, was ja - je nach Schwingungsverhalten - ganz sinnvoll sein kann. Aber die Frage ob es die SXP wird oder nicht hat sich ja mangels Gelegenheit gar nicht ergeben.

Mit meinen leichteren Teleskopen, dem M615 von IntesMicro und meinem 6" f/5 Newton reichen zwei 5.5kg Teile wunderbar. Und mit meinem neuesten Projekt müsste das gewichtsmäßig auch mit 11kg GG klappen: Ich versuche mir gerade einen 7" STF Mirage aus den Werkshallen von STF in Moskau zu organisieren. Dort ist es nach 5 Jahren noch so, als wären die Leute gestern erst verschwunden und Teleskope aller Fertigungszustände stehen da noch rum. Faktisch könnten alle morgen wiederkommen, an ihrem Arbeitsplatz das Licht einschalten und weiterschaffen. Mal sehen ob ich das gebacken kriege ...

Ebenso wünsche ich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch Richtung 2016,
Andreas-TAL

PS: Das mit der IEQ45 von dir hört sich ja wirklich grauslich an. Ich hoffe mal wirklich, dass die ihre Fertigungsqualität iterativ immer weiter verbessert haben. Anscheinend ist es immer wieder dasselbe bei solchen Startups. iOptron hat seinen Sitz in Boston und ist wohl zu weiten Teilen an der dortigen Universität (mit)entstanden. Die Startupgründer haben sich dann nach der Planungs- und Entwicklungsphase einen chinesischen Partner als Joint Venture mit ins Boot geholt damit aus ihren Ideen überhaupt Produkte werden konnten. Aber auch der Partner ist mehr oder weniger neu entstanden und dann beginnt so eine Firma qualitätsmäßig halt anscheinend wirklich bei Null, bzw. so wie in China halt im Durchschnitt produziert wird (die Franken sagen ja dazu: Dees basst scho so).

Es gibt tatsächlich sehr wechselhafte Rückmeldungen zu iOptron. In letzter Zeit ist es etwas ruhiger geworden und bei der CEM gibt es mechanisch gesehen wenig Negatives. Das so genannte "CEM wobbling" war eines davon, aber die Sache war sehr mysteriös. Es waren 5-6 Rückmeldungen dazu, die aber immer demselben Stil folgten: Überlegung ob Losmandy G11 oder CEM gekauft werden soll, dann CEM gekauft weil billiger, ausprobiert und dieses fürchterliche wobbling gehabt, keiner kann helfen, zurückgegeben, dann eine G11 gekauft, nun ist alles perfekt und man ist wunderbar glücklich und hätte das gleich machen sollen.

Die Videos die das Wackeln zeigen sollen, sind mittlerweile fast vollständig aus dem Netz verschwunden. Auf keinem der Videos war das komplette Teleskop oder gar die Montierung zu sehen. Und der mehrfach fast identische Ablauf in den Schilderungen, von den Vorüberlegungen bis zur wunderbaren Lösung mit einer G11, lässt auch was anderes vermuten.


RE: CEM60 Montierung - marcmiller - 25.12.2015

Hallo Andreas,

ein schöner Bericht, der Lust aufs Beobachten macht! Aber zur Zeit ist bei mir auch der innere Schweinehund meistens am Zug...
Also, Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch an alle!

VG,

Hans


RE: CEM60 Montierung - Andreas-TAL - 30.09.2018

Ich ergänze mal den Beitrag zur CEM60, weil ich mich (endlich) mal überwunden habe die neuesten Firmwareupdates aufzuspielen. Mit eine Rolle spielte auch, dass die CEM60 Software bei einigen Einsätzen am tiefstehenden Mars schlichtweg behauptete, das der Kerl schon unterhalb des Horizonts wäre, also einen Bug in der Berechnung hatte.


Bis jetzt war das wenig relevant, weil man ja normalerweise so tief nix großartig anschaut, aber in der Planetensaison begann es zu nerven.

Vor Firmwareupdates habe ich aber einen gewissen Respekt, weil man eben doch tief in das System eingreift. Bei den diversen Skywatchers EQ6 Firmware-Updates erinnere ich mich noch mit Grausen an das Feedback der Nutzer, die nach dem Aufspielen der neuesten Firmware mehr Probleme als gelöste Featues hatten. User als Beta-Tester ... nee Danke.

Außerdem: Die Upgrade Prozedur setzt ja (technische Steinzeit) oft noch eine RS232 Verbindung voraus oder dann eben die entsprechenden USB to RS232 Adapter und dann passen die Chipsätze nicht, die COM-Ports sind nicht aktiv oder die Treiber machen Schwierigkeiten. Und weil es eben auch bei mir nicht reibungslos lief, hier das Feedback in die Tiefen des Netzes. Vielleicht hilft es ja (Google sei Dank oder Fluch) einem unbekannten User bei dem es auch hakt ...

Schritt 1: Download der Upgrade-Software und der Firmware Dateien von der Supportseite von iOptron.
Das war problemlos und dank übersichtlicher Dokumentation dort auch schnell erledigt.

Schritt 2: USB to RS232 Adapter installieren
Erstes fettes Problem - der Adapter wurde zwar erkannt, aber nicht gestartet. Herunterladen und installieren der aktuellsten Treiber war ergebnislos. Neustart ebenso.
Also Recherche im Netz was die Prolific Chipsätze angeht. Neueste Treiber direkt bei Prolific geholt, aber ohne Verbesserung.
http://www.prolific.com.tw/US/ShowProduct.aspx?p_id=225&pcid=41
Der meistverbreitete Chipsatz PL2303 war auch bei mir verbaut.

Eine weitere Recherche förderte zutage, dass Adapter mit bestimmter Chipsätzen nicht (mehr) unterstützt werden. Und zwar diejenigen, die nicht direkt von Prolific stammen, also Nachbauten sind. Diese ganzen Fake-Chips funktionieren zwar, fortgeschrittene Treiberversionen von Prolific checken aber auf (Fremd)-Chips und blockieren diese dann. Die Lösung ist ebenso kurios wie einfach:
Da diese Adapter-Chips nie weiterentwickelt wurde (es geht ja um uralt RS232 Technologie) und technisch damit zueinander identisch sind, benötigt man „nur“ eine Treiberversion, die diesen „Check“ noch nicht ausführt und die stammt aus dem Jahr 2008(!). Mit diesem Treiber klappt alles.
Ich habe dann das hier im Netz gefunden und das bringt es auf den Punkt UND hat auch noch einen Link zu diesem Uralt-Treiber.
http://wp.brodzinski.net/hardware/fake-pl2303-how-to-install/

Schritt 3: Updateprozess Handbox
Nach der Festlegung des passenden COM-Kanals wurde die Verbindung zwischen Laptop und Handbox erstellt und die Firmware übertragen. Die Handbox meldet am Schluss (nach 95%) einen „Connecting Error“. Das Bezieht sich aber nicht auf das Update, sondern dass sich die Handbox nach einer gewissen Zeit mit der Montierung verbinden will, das aber logischerweise gerade nicht kann. Deswegen moniert Sie die mangelnde Verbindung. Der Software-Uptdater ist sowieso anderer Meinung und meldet „Update erfolgreich“.

Schritt 4: Update Mainboard
und
Schritt 5: Updateprozess RA-Board
und
Schritt 6: Updateprozess DEC-Board
Verlaufen dann ebenso erfolgreich, aber mit identischen „Meldungen“ der Handbox, die nach einiger Zeit wieder versucht auf die Montierung zuzugreifen und das nicht erreicht. Hier kommt dann die Meldung „Connecting Error or Update on both mainboards“. Das Handbox-Display produziert dazwischen einige wirre Zeichen, die auftauchen und wieder verschwinden, komische Zahlenfolgen, leere Displayzeilen ...
Aber nach erfolgtem Upgrade, Aus- und Einschalten ist alles wieder normal und aktualisiert.

Eine kurze Prüfung des Status zeigt, dass Handbox, Mainboard, RA und DEC und die Sternkataloge die aktuellen Build-Nummern haben.

Ich für meinen Teil brauche so etwas nicht öfter - jetzt bin ich aber mal gespannt ob sich etwas im Handling, der Bedienung und der Genauigkeit getan haben. Das sowieso schon gute Alignment soll nochmal präziser sein, der Nachführfehler beim PEC (wenn programmiert) soll weiter minimiert sein und die ein oder anderen Menüwege sollen verkürzt sein.

Andreas-TAL


RE: CEM60 Montierung - Ulf - 30.09.2018

Hallo Andreas,

das kommt mir sehr bekannt vor.

SynScan Update


RE: CEM60 Montierung - Lars - 05.11.2018

Hallo allerseits,

ich hänge hier mal zur Ergänzung meine Erfahrungen mit der CEM 60 (ohne Encoder) an:

Ausgangslage war bei mir, daß ich seit Jahr und Tag eine Zeiss Ib-Montierung in Verwendung hatte, die mit diversen Geräten sehr gut zurechtkommt, aber eben nur einen Synchronantrieb hat. Der periodische Fehler wird mit 2,5" angegeben, d.h. bei sehr guter Einnordung sind Astrofotos auch ohne Guiding möglich. Probiert habe ich bei f = 750 mm Zeiten bis 45 Sekunden ohne Probleme. Auf dem letzten HTT konnte ich nebenan eine Ib mit Schrittmotorumbau und F4-Steuerung in beiden Axen bewundern. Für mich kam jedoch nur eine neue Montierung in Frage, denn es hat zwar schon manch einer Geräte der 25 bis 30 kg - Klasse auf einer Ib betrieben, jedoch führte der Hebel beim AOM 160/1600 (mit Okular ca. 14 kg) testweise und wie erwartet doch zu merklichen Schwingungen. Mit diesen könnte man sich zur Not noch abfinden, aber man kommt beim Beobachten nicht mehr richtig an die Klemmungen und Feinbewegungen.
Aus mechanischer Sicht fällt bei der Ib ja die Kompaktheit ins Auge. Der Schwerpunkt liegt bei hiesigen Standorten nahe an der Senkrechten über dem Stativ- oder Säulenkopf. Von daher hatte ich für eine neue Montierung immer den Wunsch nach einer ähnlich günstigen Konstruktion. Bei vielen Modellen ist es ja so, daß die Polhöheneinstellung stark einseitig belastet wird, weil eben der Schwerpunkt nicht senkrecht über dem Polhöhengelenk liegt.

Bei der CEM60 fand ich das Konzept sofort überzeugend. Die Polachse ist zweifach gelagert und der Schwerpunkt von Teleskop und Gegengewicht liegt in der Achse des Polhöhengelenks, d.h. dessen Bewegung hebt und senkt den Schwerpunkt nicht. Selbst mit montiertem Gerät und Gegengewicht lässt sich die Polhöhe butterweich verstellen.
Wie Andreas schon geschrieben hat passt die Montierung nur mit der Polhöhe 0 in den Koffer und man muss beim Aufbau die Polhöhe immer neu einstellen. Nach der Grobeinstellung ohne Gegengewichtsstange und Teleskop wird einfach alles angebaut und dann die Feinjustage mit dem Polsucher erledigt.

Beim Einsatz für Astrofotos ist die USB-2.0-Verkabelung keine Hilfe, wenn mit einer USB-3-Kamera gearbeitet wird - es bleibt bei einer eindrucksvollen Verkabelung. Für mich als Einsteiger in die Welt der guidingfähigen Montierungen war es zunächst gewöhnungsbedürftig, daß es einen "Meridianflip" gibt und keine beliebige Rotation um die RA-Achse. Außerdem fehlen klassische Klemmungen der Achsen und Feinbewegungen finden sowieso nur über die Handsteuerbox statt.

Das von Andreas beschriebene Firmwareupdate ist mir wegen des Anschaffungszeitpunktes zum Glück erspart geblieben.
Die Hürden mit der RS232-Schnittstelle und dem richtigen Chipsatz im Adapter hatte ich gleichwohl zu überwinden, da ich die ASCOM-Ansteuerung nutzen wollte. Es gibt bei Youtube ein Video, in welchem ein ST4-Kabel verbrannt wird, um die Nachteile der Lösung mit dem ST4-Kabel von der Guiding-Kamera zur Montierung zu "verdeutlichen".
Mit der Software von ioptron zur Ansteuerung der CEM60 und dem Programm PHD2 für das Guiding funktioniert nun alles bestens. Das Setup mit einem 130er APO samt Leitrohr C 80/500 wiegt etwa 16 kg und erfordert noch ein kleines Zusatzgewicht zum originalen 9,5kg-Gewicht.
Der 160er Refraktor ist mit Okularrevolver und einem Okular etwas leichter und kommt mit den 9,5 kg aus - das fotografische "First light" folgt für diese Kombi noch.


Gruss Lars