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TAL 250K - Kompendium
#66
Die nachfolgende Diskussion drehte sich um die Justage der Korrektoreinheit beim TAL-250K. Ausgangspunkt war, dass Yuri A. Klevtsov vor einiger Zeit die Werksprozedur beschrieben hat und dass man dies mit Amateurmitteln durchaus reproduzieren kann.
Das ist auch geboten, denn sobald diese Justage verloren gegangen ist (z.B. durch HS-Reinigung) sinkt die Abbildungsqualität.

Das Verfahren ist in einen früheren Beitrag schon ausführlich beschrieben, deswegen fasse ich das hier nur nochmal kurz zusammen, damit das Nachfolgende verständlich bleibt.
Benötigt werden ein Helium-Neon Laser, zwei Kunststoffbuchsen mit winziger, zentrischer Bohrung und eine X,Y Lineareinheit die im Mirkometerbereich sowohl gradlinig, wie auch drehend bewegt werden kann und ein Projektionsschirm am Laser.

Die Buchsen werden am Teleskop angebracht und markieren die optische Achse des Teleskops. Der Laser wird ein gutes Stück hinter dem OAZ positioniert. Der Laser wird so positioniert dass er beide angebrachte Buchsen passiert. Ist dieser Aufbau eingerichtet, werden die Buchsen entfernt ohne dass ein Gerät in seiner Position verändert wird.

Am Projektionsschirm werden dann eine Vielzahl von konzentrischen Kreisen sichtbar ("Newtonsche Ringe"). Sie entstehen durch die Brechung des Laserstrahls an den Linsenkanten der Mangin- und Meniskuslinse. Ist die Korrektoreinheit dejustiert (verkippt) führt das dazu, dass der Laserstrahl zur optischen Achse versetzte Newtonschen Ringe erzeugt.

Ergo: Verkippte Korrektoreinheiten erzeugen Newtonsche Ringe die ihren Mittelpunkt neben dem Laserstrahl haben. Mit den Justageschrauben ließe sich anschließend ein verkippter Korrektor so justieren, dass die Ringe sich wieder mittig um dem Laserstrahl herum abbilden. 

Soweit so gut, aber bei meinem TAL-250K zeigt sich das Phänomen, das ein Teil der Newtonsche Ringe auf der Achse liegt, während ein anderer Teil seitlich versetzt dazu ist. Die beiden Linsen erzeugen also unterschiedlich ausgerichtete Newtonsche Ringe, woraus man schließen könnte, dass die Linsen zueinander auch leicht dejustiert sind.

   

Hier sieht man das Phänomen. Die äußeren (hellgrauen) Newtonschen Ringe sind zentrisch zu den schwarzen Hilfslinien, im inneren Bereich sind sie deutlich außermittig.

Deswegen hat im folgenden Valdimir Sacek mal simuliert was die Folgen wären, wenn die Korrektoreinheit entweder (1) seitlich versetzt (also in ihrer Ganzheit neben der optischen Achse sitzt), oder wenn (2) eine der beiden Linsen zur optischen Achse versetzt oder verkippt wäre.

Zu (1):
"Die gesamte Einheit reagiert auf eine Dezentrierung extrem sensibel: Ein seitlicher Versatz von 1mm würde rund 4 Waves p-v "all field coma" (Koma, das in gleicher Stärke im gesamten Feld auftritt) erzeugen (horizontal orientiert). Seine Größenordnung ist direkt proportional zum Versatz (~Dezentrierung). Das bedeutet, dass selbst 0.1mm Versatz der Korrektoreinheit zur optischen Achse rund 0.4 Wave p-v Koma hervorruft (soeben noch beugungsbegrenzt aber sicherlich nicht akzeptabel).

Zum Vergleich: 1mm Dezentrierung in einem SC würden nur halb so viel "all field Coma" erzeugen.

Im Rückschluss kann man sagen: Wenn das Teleskop dezentriert erscheint, aber kein einheitliches Koma  im gesamten Feld vorhanden ist, dürfte eher der Korrektor verkippt sein, als das er dezentriert ist."

Letzteres ist schon mal sehr angenehm, da sich ein verkippter Korrektor (relativ) einfach wieder justieren lässt. Es gäbe aber keine Möglichkeit eine Korrektoreinheit die etwas seitlich zur optischen Achse versetzt ist zu korrigieren. Das ist konstruktiv nicht vorgesehen.

Das obige konsequent weitergedacht führt aber zur neuen (unbeantworteten) Frage, wie es NPZ-Optics dann geschafft hat diese Korrektoreinheiten montagetechnisch so absolut exakt in die Mitte zu bekommen, dass sie wohl deutlich weniger als 0.1mm von der optischen Achse abweichen. Nahezu alle Klevtsovs zeigen nämlich in nur sehr geringem Ausmaß Koma.

Der Fangspiegelhalter an denen die Einheit hängt zeigt Spuren solider, handwerklicher Fertigung, die aber sicher nicht feinmechanisch hochexakt ist. Die drei Bögen der "curved spider" scheinen z.B. zwischen mittiger kreisrunder Adapterplatte und Tubusring eingeschweißt und ein Stahltubus mit 270mm Durchmesser kann auch nicht absolut kreisrund gebogen und geschweißt werden, wenn man eine Genauigkeit um die 0.05mm benötigt. Und dass er aus einem Stück gedreht ist, kann nun ich nicht glauben.

Ein Teil des Geheimnisses liegt ggf. darin, das die hintere Linse (Manginlinse) im Prozess der Montage justierbar ist und erst im Zuge der Versiegelung der Einheit endgültig fixiert wird. Vielleicht genügt dieser geringe Spielraum von +/- 1mm seitlichem Versatz der möglich ist, um ein mögliches Koma herauszujustieren. 

Im folgenden hat Vladimir simuliert wie dann die einzelnen Linsen auf Dejustage reagieren (also letztlich den oben angedeuteten Spielraum als Fehlerquelle simuliert).

Zu (2)
"Einzeln betrachtet ist die Manginlinse erheblich sensibler für Dezentrierung und Verkippung.
Aber die Sache ist sehr komplex.
Falls die Manginlinse in ihrer Position verkippt ist, könnte dies nämlich dennoch nur zu einem recht geringen Fehler führen ("all field coma"), solange sie auf der optischen Achse (des HS) bleibt.
Versetzt man beide, Meniskus und Manginlinse innerhalb des Korrektors und/oder erzeugt einen Versatz/Verkippung zwischen Korrektor (mit versetzten/verkippten Linsen) und dem Hauptspiegel, so kann der Gesamtfehler des Systems aber tatsächlich auch sinken!
Denn wenn man jedes dieser Elemente nur isoliert betrachtet und korrigiert, dann kann dies in der Summe der Aberrationen einen größeren Fehler als vorher einführen.

Aber der einzige Weg das herauszufinden ist das System praktisch auf alle relevanten Änderungen zu testen und darauf basierend Rückschlüsse zu ziehen, welche Änderung das Gesamtsystem näher an das Optimum heranbringt, wo es anscheinend bereits ist, wenn man dein Beugungsbild auf der Achse als Grundlage nimmt."

Die nichtkonzentrischen Newtonschen Ringe können also von einer solchen Position der Linse hervorgerufen werden, aber sicher ist das nicht.
Nach Yuri A. Klevtsov muss die Justage sowieso mit Hilfe der äußeren Newtonschen Ringe durchgeführt werden.

Immer mehr stellt sich heraus, dass die Korrektoreinheit der geniale Wurf, aber auch die 
Crux des Systems ist. Jeder geringste Fehler da drin wirkt sich sofort immens auf das komplette System aus. Kein Wunder dass man bei NPZ die Entscheidung getroffen hat das Teil "zu versiegeln" und damit (normalerweise) dem Zugriff zu entziehen.

Andreas-TAL

 
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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TAL 250K - Kompendium - von Ralf - 23.12.2013, 18:36
RE: TAL 250K das etwas andere Teleskop - von Andreas-TAL - 09.08.2015, 23:25
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 30.06.2019, 19:22
RE: TAL 250K - Kompendium - von Christoph - 30.06.2019, 20:04
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas Paul - 30.06.2019, 23:17
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 02:29
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:31
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:32
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 02.07.2019, 16:14
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 02.07.2019, 21:16
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 03.07.2019, 18:51
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 04.07.2019, 21:55
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 05.07.2019, 15:33
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 05.07.2019, 15:36
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 10.02.2020, 22:04
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 08.03.2020, 12:31



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