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TAL 250K - Kompendium
#74
Nachdem ich mein TAL-250K (geringfügig) etwas umgebaut habe, möchte hier eine kurze Zusammenfassung geben.

Auslöser war, dass mittlerweile eine neue Montierung (CEM60) meinen 10“ Klevtsov trägt. Aus den alten EQ6 Zeiten stammt noch der massive Doppelprismenadapter mit dem ich bisher die russische Klemmschiene ersetzte und auf ein 3“ Losmandy-Format brachte. Das System funktioniert nach wie vor, aber dieser Prismenadapter bringt rund 20mm Abstand zur Achse ein. Durch Gespräche mit Uwe über die Vixen SXD/SXP (und deren phänomenal geringes Gegengewicht auch bei hohen Traglasten) war ich sensibilisiert, dass das ja vor allem auf den konstruktiv sehr kurzen Abstand des Teleskopschwerpunkts über der Montierungsachse zurückgeht. Und hier "verschwendete" ich über 20mm …

Zudem bemerkte ich gewisse Ermüdungserscheinungen an der russischen Originalprismenaufnahme. Die Klemmung wird durch ein kleines prismenförmiges Klötzchen (ca 10x10mm) gewährleistet, das an eine Rändelschraube mit großem Drehgriff genietet war. Die große Rändelschraube war auch der Grund für die 20mm „Platzverschwendung“. Mindestens so viel Abstand benötigt eben dieser Drehgriff zum Montierungsschlitten, weil er sonst auf dem Schlitten "aufkantet".

   

Das Klemmklötzchen presste meinen Adapter in die prismenförmige Aufnahme. Zunehmend bekam dieses Klötzchen mehr Spiel und ein kritischer Blick zeigte, dass die nur 3mm große Sprengniet langsam zu ermüden bekann. Autsch! Im Nachhinein wird mir immer noch etwas mulmig, dass an diesem Klötzchen plus Niete die ganzen 15kg meines Klevtsov hingen.

         

Zum Dritten war dann noch die beginnende Korrosion an den Halteschrauben im Inneren des Tubus.

Das sind der Gründe genug hier eine andere Lösung zu suchen. Allerdings sollte möglichst wenig verändert werden, da ich a) kein Freund von aufwändigen (Um)konstruktionen bin, b) bei russischen Teleskopen sehr oft zum Ergebnis gekommen bin, das diese mechanisch gut durchkonstruiert sind und jedes Teil schon seinen Sinn hat (auch wenn sich der erst mal nicht erschließt) und c) ich den 10"-TAL auch möglichst „original“ weiter betreiben möchte.

Ein Moskauer Amateurastronom hat wieder mal (bildlich) die Hände über den Kopf zusammen geschlagen, als ich ihm von meinem Klevtsov erzählte und das es eigentlich recht passabel beugungsbegrenzt arbeitet (so 0.89-0.86 Strehl im blauen/grünen) und meinte ich solle so ein "Relikt" doch bitte, bitte immer pfleglich und gut behandeln und wirklich nie, nie hergeben (höchstens an ihn - Originalton: "Keep it like your wife …"). Er meinte, dass faktisch die ordentlichen Klevtsovs im wesentlichen Einzelverkauft ins Ausland gegangen sind und dass man wahrscheinlich 30 Stück durchsehen musste, bis man so eines hatte. Und etwas bitter hintennach: "That’s Russian mentality: All the best for the foreigner …"  Ein Stück weit bestätigt sich seine Theorie, denn die drei Klevtsovs über die es hier im Forum auch schon mal gegangen ist (siehe "TAL-Treffen" von Ralf, Hans und mir) waren ja alle recht ordentliche Exemplare. In Moskau habe ich bei ca. 20-25 interferometrisch geprüften nur 2 beugungsbegrenzte TAL-250K gesehen. Aber das ist ein anderes Thema …

Also, welche Möglichkeiten bestünden bei meiner Prismenschiene?

(1)    Den vorhandenen Adapter behalten aber überarbeiten. Fazit: Geht nicht zuverlässig. Eine Klemmschiene (statt des Klötzchens) lässt sich nicht anbringen, weitere Rändelschrauben in das Material einzuschneiden ist aufwendig und nimmt zu viel Material weg.

(2)    Eine durchgehende Prismenschiene anbringen. Die sauberste und vielleicht eleganteste Lösung. Fazit: Das wollte ich nicht, da ich hier viel stärker in den Tubus eingreifen müsste um sie zu befestigen. Das hieße also: Optik ausbauen, neu bohren. Außerdem war klar, dass die Klemmung aus Gleichgewichtsgründen sowieso nur auf den hintersten 10-15cm der Schiene erfolgen wird. Wieso sollte man also noch 30-35cm Schiene im vorderen Teil zur Verfügung haben, die aber keine Funktion hat und nur das Gewicht erhöht?

(3)    Anstelle des vorhandenen Adapters eine ähnliche Neukonstruktion anbringen. Fazit: Das war für mich die sympathischste Lösung, weil sie wenig verändert, aber die vorhandenen Schwachpunkte (Klemmklötzchen, Niete, Rändelschraube) beheben kann.

Erster Schritt war also das Demontieren der bisherigen Prismenaufnahme. Die Korrektoreinheit wurde zunächst staubsicher abgedeckt damit auch keine zufällige Berührung Spuren hinterließ. Das Teleskop zunächst waagerecht gelegt, und dann mit einem leichten Gefälle zur Tubusöffnung. Sollte mir irgendetwas aus der Hand rutschen oder der Schraubenkopf abreißen, war der HS dennoch sicher. Einweg Latexhandschuhe verhinderten auch zufällig Fingertapsen und Fettspuren irgendwo im Tubus oder auf den optischen Elementen. Die vorhandenen Sechskantschrauben saßen sehr fest (die beginnende Korrosion tat ihr Übriges dazu), ließen sich dann aber doch mit einem gekröpften Ringschlüssel ganz sachte (und quietschend) lösen.

   

Erste Überraschung: Es waren „nur“ recht winzige M5 Schräubchen die rund 4-5mm in ein Sacklochgewinde der Prismenaufnahme eingeschraubt waren. Da hätte ich eine (russisch) massivere Befestigung erwartet.

Zweite Überraschung: Auch die von außen sehr massiv und wuchtig daherkommende Prismenaufnahme entpuppte sich als „Leichtgewicht“ in Rippenbauweise mit sehr wenig Material am Boden und in den Schenkeln. Kurios ist zudem, dass an dieses recht „leiwändig“ daher kommende Teil (auch nur 300gr schwer), im Original dann ein massives 1,2kg schweres Stahlprisma geklemmt wird, was als Verbindungsstück zu den russischen Montierungen fungiert. So widersprüchlich ist das manchmal …

   

Nachdem mich die 5mm Schrauben zur Befestigung nicht wirklich überzeugten (da wurde ich dann zum "Russen"), wollte ich lieber M6 Schrauben verwenden (Originalzustand hin oder her). Aber wegen +0.5mm Radius die Optik ausbauen? – Njet Wink. Aber mit eingebauter Optik am Tubus bohren? – ebenso: Njet Wink. Die Lösung kam mit einem Windeisen eines Handgewindebohrers. Statt einem Gewindeschneider spannte ich da einen 6mm Metallbohrer ein und fertig war mein neuer "Hand"bohrer. Dreh- um Dreh erweitere ich in der 3mm dicken Tubuswand das Bohrloch auf 6mm. Der korrekte 90 Grad Winkel zur Tubuswand ließ sich auch händisch ganz gut realisieren und die Aluspäne flogen mir bei  3-4 U/min auch nicht um die Ohren.

Dabei machte ich noch eine interessante Beobachtung. Der Tubus des TAL-250K scheint aus einem Stück passend gedreht zu sein. Ich habe jedenfalls nirgendwo Spuren einer Naht entdeckt. Und auf der Innenseite der Tubuswand (deren gute Streulichtunterdrückung mir schon öfter aufgefallen ist) befinden sich durchgehend winzig kleine Rillen ähnlich einem Feingewinde. Diese über tausend winzigen Rillen, zusammen mit einer mattschwarzen Farbe machen das also so effektiv.

Da die alten Befestigungslöcher auch die neuen waren, ließen sie sich längs des Tubus leicht vermessen. Ihr Querabstand (als Kreissehne) war meines Erachtens nicht präzise genug messbar, aber die Messung des Kreisbogens zwischen beiden war (IKEA und anderen Abreißpapiermeterherstellern sei Dank) eine Kleinigkeit. Auf dieselbe Weise war auch aus dem Umfang der Tubusradius schnell bestimmt: 841mm Umfang machen einen Radius von gerundet 134 mm. Da der neue Adapter auf seiner Innenseite umfassend aufliegen sollte, war der präzise Krümmungsradius zwingend notwendig.

Als es zu diesem Zeitpunkt um die neuen Adaptermaße ging, zeigte sich (wieder einmal) dass die russischen Ingenieure ihr Handwerk verstanden. Der Schwerpunkt des Tubus (also da, wo ist das Teleskop entlang seiner Längsachse exakt „in der Waage“ ist) liegt exakt mittig zwischen den beiden Schraubenlöchern – also in Bezug auf die Stabilität ziemlich perfekt.

   

Nun ist bei mir aber der schwerere JMI-EV1 Okularauszug verbaut (anstelle des TAL-Crayford), was den Schwerpunkt schon einmal rund 15mm in Richtung des hinteren Schraubenpaares verschiebt. Wenn ich nun zusätzlich mein schwerstes Equipment (M44 Zeissprisma + LVW Okular + OAZ etwas ausgefahren) adaptiere, liegt der Teleskop-Schwerpunkt grade noch so unter dem hinteren Schraubenpar („konstruktiv perfekt“ wäre natürlich dazwischen). Das funktioniert also nicht mit den bisherigen Schraubenlöchern. Da aber die Auflagefläche der neuen Schiene mehr als doppelt so groß ist und auch die Schraubenquerschnitte gestiegen sind, hoffe ich eigentlich, dass die Verbindung zwischen Tubus und Schiene dennoch steif und kraftschlüssig genug ist.
Sicherheitshalber habe ich aber beidseits ein weiteres durchgehendes Gewinde an der Prismenschiene vorgesehen. So könnte man nachträglich die Prismenschiene zusätzlich verschrauben und vorher die exakte Position der dann zusätzlichen Bohrungen am Tubus markieren.

       

   

Fortsetzung im zweiten Teil, da ich mehr Bilder als die erlaubten 12 Stück pro Beitrag habe
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Andreas Paul (15.02.2016), Christoph (14.02.2016), Florian B. (15.02.2016), Ulf (14.02.2016)
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TAL 250K - Kompendium - von Ralf - 23.12.2013, 18:36
RE: TAL 250K das etwas andere Teleskop - von Andreas-TAL - 14.02.2016, 14:30
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 30.06.2019, 19:22
RE: TAL 250K - Kompendium - von Christoph - 30.06.2019, 20:04
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas Paul - 30.06.2019, 23:17
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 02:29
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:31
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:32
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 02.07.2019, 16:14
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 02.07.2019, 21:16
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 03.07.2019, 18:51
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 04.07.2019, 21:55
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 05.07.2019, 15:33
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 05.07.2019, 15:36
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 10.02.2020, 22:04
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 08.03.2020, 12:31



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