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Kalt war's
#1
Uwe hat auch draußen ausgeharrt und sich als Inuit versucht (siehe seinen Beobachtungsbericht).
Den Faden nehme ich gerne auf - mein Inuit Outfit sah folgendermaßen aus:
Zwei paar Socken, zwei mal Unterhosen (kurz und lang), zwei Thermohosen, ein T-Shirt, ein Ski-Oberteil, ein dünner Rollkragenpullover, ein dicker Winterpullover, eine Winterjacke, ein Stirnband, eine Strickmütze, ein paar Skihandschuhe ... fertig ist die temperaturgerechte Ausstattung für 5 Stunden draußen.

Nebenbei: Ich sah eher aus wie das Michelin-Männchen, statt wie ein Inuit, aber es war definitiv kuschelig warm. Und das die ganze Zeit. Ich konnte sogar drei- oder viermal für eine halbe Stunde die Handschuhe ausziehen. Wenn der Rest von Dir warm ist, werden die Hände nicht kalt. Nach 4 Stunden kam dann langsam die Kälte über die Füße … aber das war es dann auch.

Was habe ich mir nicht alles vorgenommen zu beobachten - eine sehr lange Liste war vorbereitet und wartete darauf in die Tat umgesetzt zu werden.
Gefühlte Ewigkeiten nicht mehr draußen, endlich wieder die Gelegenheit und dann auch noch so passend am Anfang des Wochenendes gelegen. Aber schon der Nachmittag, als ich eineinhalb Stunden mit dem Hund durch den Wald gefetzt bin (und die Wipfel rauschten) ließen ahnen, dass es keine allerbesten Bedingungen sein würden. Auch die Seeing Vorhersagen gingen in diese Richtung. Aber das ist einem egal nach fast drei Monaten Pause.

Kurz nach Sonnenuntergang am Beobachtungsplatz angekommen blies mir der kräftige Wind eisig ins Gesicht - na, das konnte ja was werden. Den offenen Klevtsov in den Wind gedreht (besser als jeder saugende Lüfter) und ehe ich mich versah waren die hellsten Sterne für das Alignment schon zu sehen. Über Sirius (mein Gott, was für ein quietschbunter Flummi so knapp über dem Horizont), Dubhe (der war im Gestrüpp eines Baumes aber es reichte) ging es zu Aldebaran und meine EQ6 kommentierte am Ende säuerlich „may be poor". Pah ...

Aber schon die ersten Blicke durch das Teleskop ließen erahnen dass das "may be poor" für was ganz anderes gelten könnte und es heute eine sehr limitierte Nacht werden würde. Die Sterne waberten im Gesichtsfeld wie ich das sonst nur von der Mondoberfläche kenne. Es sah aus als wären sie auf einen hauchdünnen Stoff projiziert, der sich langsam wellenförmig bewegt - irgendwie sogar schön. Aber an Beobachtungen von Nebeln und Galaxien war nicht zu denken. M42 im Orion (das Trapez) blieb bei vier Sternen und manchmal verschwammen sogar die ineinander. Auch die Filamente des Orionnebels blieben eher schwach. Was tun, denn die ehrgeizige Beobachtungsliste (soviel war klar) wird nicht funktionieren. Wieder abbauen?

Dunkel erinnerte ich mich daran, dass in dieser Region recht viele offene Sternhaufen zu finden sind. Prinzipiell genau das richtige für diese Nacht: Großflächige Objekte, niedrige Vergrößerungen und dennoch schön anzusehen.

Also auf zu M35, ein schöner offener Sternhaufen der sich deutlich aus dem Hintergrund abhebt und mir bewies, dass das die richtige Entscheidung war. Die zahlreichen feinen Sterne bilden einen schönen Kontrast zum mittlerweile nachtdunklen Himmel und mit den drei UWA Okularen in den Brennweiten 25mm, 20mm und 15mm konnte man dann sogar etwas mit der Vergrößerung spielen (85x, 106x, 142x).

Weiter ging es zu M36, der viel dichter und kräftiger erscheint als M35, obwohl das glaube ich gar nicht der Fall ist. Aber vielleicht spielte mir hier das Seeing einen Streich, dass sich minütlich änderte.

Eine weitere Steigerung war dann M37, der wirklich großartig im Okulargesichtsfeld stand. Besonders auffällig war der zentrale Stern fast in der Mitte des Sternhaufens, der der Sternenansammlung eine fast plastische Dimension gibt.

Der nächste Halt: M38. Der ist wieder etwas lockerer aufgebaut, aber das schöne bei ihm ist, dass sich eine Vielzahl von Sternen (natürlich subjektiv) in Reihen und Ketten anordnen, was ein interessantes Aussehen ergibt.

Um die Messierreihe noch voll zu machen schwenke ich zu M34, der zwischen Andromeda und Perseus liegt. Er ist ein sehr lockerer Sternhaufen mit einer sehr großen Ausdehnung. Um ihn besser beobachten zu können wechsle ich hier auf das LVW 42mm Okular (50x). Die geringe Vergrößerung tut dem Anblick gut weil die Sterne nun noch ein Stück punktförmiger und nicht mehr so aufgebläht erscheinen, außerdem rücken viele benachbarte Sterne nun recht eng zusammen so dass man wieder den Eindruck von unzähligen Doppelsternen gewinnt.

Wenn man in dieser Region ist, lohnt sich auch immer ein Schwenk auf h und chi Persei, die immer wieder gut dem Klevtsov und dem 42mm LVW harmonieren. Er wirkt in seiner Fülle der Sterne beeindruckend schön, aber ehrlicherweise habe ich ihn auch schon deutlicher und brillanter, glänzender gesehen. An dieser Stelle kommt jetzt auch einmal das 22mm LVW von Vixen zum Einsatz, weil es eine bessere Randabbildung hat, was der Darstellung der Vielzahl der Sterne im Gesichtsfeld entgegen kommt (das Gesichtsfeld ist mit 65 Grad nicht riesig, aber sonst ist das ein gigantisches Okular).

An der Stelle muss natürlich ein Blick auf den Kometen Lovejoy sein, der ja ideal, fast im Zenit, steht. Der Kopf des Kometen zeigt eine große, unstrukturierte Koma, die sich auch schwer nach außen abgrenzen lässt und im indirekten Sehen lässt sich auch ein leichter Schweifansatz visuell ausmachen.

Hier merkt man aber deutlich, dass der Himmel an meinem "Quick and Dirty" Beobachtungsplatz zu hell ist. Eigentlich müsste ich eine höhere Vergrößerung wählen, um einen dunklen Himmelshintergrund zu erhalten. Die ist dann aber viel zu groß für den Kometen und im 42mm Okular erscheint der Hintergrund schon sehr stark aufgehellt, dass die Randbereiche der Koma und der Schweifansatz im Hintergrund untergehen. Dennoch ist es beeindruckend nach so langer Zeit wieder einmal einen so hellen Kometen zu sehen. Da kommen sehnsüchtige Erinnerungen an Hale-Bopp oder hier Hyakutake auf.

Knapp neben dem Kometen sah ich im Sucher, eher durch Zufall, den schönen Doppelstern Alamak (Gamma Andromedae) und positionierte ihn. Die Komponenten A und C, die sogar ein bisschen rot-blau eingefärbt waren, ließen sich leicht trennen. Das ist aber nun bei 9" Abstand auch keine allzu gewaltige Leistung. Aber an Alamak, bzw. dem Zwischenraum zwischen den Komponenten, konnte man gut das Seeing abschätzen und das lag wirklich irgendwo zwischen mäßigen 2-3" Bogensekunden.

M32 war dementsprechend zwar gut zu sehen, aber die Staubänder blieben größtenteils verborgen. Nichts spektakuläres. Ebenso M82 - aber erstaunlicherweise zeigte M82 für kurze Zeit deutlich Struktur und Kontrast, aber noch bevor das erstaunte "Ohh" richtig ausgesprochen war, fiel das Bild schon wieder zusammen.

Mittlerweile war auf der anderen Seite des Himmels am M44 (Praesepe) hoch genug, so dass sich ein Blick lohnen könnte. Hier kommt der Klevtsov mit seiner großen Brennweite aber an seine Grenzen. Selbst im kleinsten sinnvollen Okular ist nur ein Gesichtsfeld von geschätzt 70-80 Bogenminuten möglich, M44 ist aber noch größer. So will sich ein guter Eindruck nicht wirklich einstellen. Meiner Meinung nach "lebt" die Beobachtung von offenen Sternhaufen davon, dass man sie vor dem leeren Himmelshintergrund sieht, damit sie plastisch und „dramatisch“ hervortreten. Für mich ist Praesepe eher ein Fernglasobjekt, da sieht er wunderschön aus.

Den Abschluss bildete natürlich Jupiter. Hier gab es erstaunlicherweise kurze (aber nur sekundenlange) Phasen in denen das Bild recht kontrastreich war und neben den zwei Äquatorbändern noch weitere Bänder auftauchten und in den Äquatorbändern Helligkeitsunterschiede, Wirbelschleppen und winzige Strukturen erahnbar waren. Da aber der Teleskoptubus Richtung Osten gerichtet war und der Ostwind wieder aufgefrischte betätigte sich mein Klevtsov anschließend als großer Windsack und die massenhaften Turbulenzen im Tubus ließen Jupiter manchmal zu einer einzigen verschwommenen Lichterbse werden.

So langsam kroch die Kälte nun in meine Schuhe und da ich nun schon fast 5 Stunden draußen war, beschloss ich diese Beobachtungsnacht zu beenden und zusammen zu packen. Glücklicherweise war wirklich keinerlei Feuchtigkeit in der Luft, so dass sich nirgendwo Raureif oder Eis gebildet hatte und das Abbauen und Verpacken (im Vergleich zu sonst) völlig problemlos über die Bühne ging.

Unter diesen Bedingungen war ich mit den Eindrücken und Beobachtungen dieses Abends mehr als zufrieden. Unter normalen Umständen hätte ich es mir sehr genau überlegt, ob ich überhaupt zum Beobachten gefahren wäre, aber bei den Wetterbedingungen der letzten Zeit hört man auf wählerisch zu sein.

Andreas-TAL
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Christoph (07.02.2015), Dyskolos (07.02.2015), Florian B. (08.02.2015), Florian Köhler (08.02.2015), Gerhard (07.02.2015), Karsten (07.02.2015), Uwe (07.02.2015)
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#2
Hallo Andreas,

da warst du aber tapfer Wink ... ein eindrucksvoller Bericht!!!

Zum Glück kann ich von der Terrasse beobachten, dort habe ich dann doch in der Not Gelegenheit ins kuschelige Wohnzimmer zu huschen.

Gestern hielt ich es aber trotzdem gut aus und es war (mit Mütze! )wirklich erträglich. Auf lange Unterhosen hätte ich noch zurückgreifen können und ein zweites paar Socken wären auch noch in Reserve gelegen. Aber wir hatten ja nur - 7°C Tongue

Nein, im ernst, es sind schon heftige Bedingungen gewesen. Bevor der Mond kam wurden die wenigen Deep-Sky-Schönheiten bewundert. Die Durchsicht war gar nicht so schlecht. Freilich merkte ich, dass feinere Details durch den Jetstream verwaschen wurden. NGC 891 bspw. zeigte sein Staubband nur in kurzen Momenten. Toll finde ich die hellen Objekte mit viel Weltraum Drumherum. M 31 mit den beiden Begleitgalaxien oder die Plejaden.

Highlight war für mich er Komet. Bei niedriger Vergrößerung dehnte sich der Schweif gut bis über das Gesichtsfeld hinaus aus. Im 8x42 Fernglas schätzte ich die Länge auf ca. 3°.

Um Jupiter tat sich gestern wenig. Der GRF und die Mondbedeckung waren zu früh, als der Planet noch zu tief stand.

Schön Andreas, dass du deinen Tal mal wieder spazieren geführt hast. Dein Bericht zeigt, wie hoch das Suchtpotential nach längerer Pause ist. Man nutzt wirklich jede Gelegenheit.

Wie sieht´s wohl heute aus?? Rolleyes
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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#3
Hallo Ihr Eingepackten!
Mein vollster Respekt! Bei den Bedingungen Stunden lang zu Beobachten ist schon ein starkes Stück! Daumen hoch
Nach meiner gemeinen Grippe habe ich mich gestern bei Wind und Kälte nicht nach draußen gewagt. Alleine die zappelnde Venus am Abendhimmel (von drinnen beobachtet) verhieß tanzendes Seeing und erleichterte mir meine Entscheidung.
Vielleicht geht ja heute aber doch wohl besser morgen Abend etwas für mich.
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#4
Wenn für Samstag Abend bessere Bedingungen vorhergesagt wären, hätte ich gepokert und wäre erst heute raus. Aber die wokenlose Lücke ist nur von kurzer Dauer, das war schon Freitag klar. Samstag stand es Spitz auf Kopf ab wann die dichteren Wolken kommen, so dass ich mich für Freitag entschieden habe.

   
Die heutige Vorhersage bestätigt das leider. Das Seeing wird deutlich besser sein als gestern, die Transparenz eher mäßig, aber vor allem: Es zieht recht schnell zu, bzw. die Bedingungen verschlechtern sich immer weiter.

Für die, die rausgehen, dann einen möglichst lange offenen Himmel.
Andreas (der, mit dem TAL)
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                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Christoph (07.02.2015)
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Christoph (07.02.2015)
#5
Ein volles Beobachtungsprogramm bei der Kälte - Respekt!

Viele Grüße, W. (der weniger kältefest war...)
Viele Grüße, W.

We shall be restoring normality as soon as we know what is normal anyway. (Douglas Adams)
https://wolfgangs-gartensternwarte.de
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