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Unverhofft - kommt auch recht selten ...
#1
Eigentlich hatte gar nicht vor einen Beobachtungsbericht zu schreiben, aber jetzt raffe ich mich doch noch auf. Das Wesentliche lässt sich recht kompakt wiedergeben und es waren ein paar sehr eindrückliche Beobachtungen dabei, die ich nicht so einfach in meiner Erinnerung absinken lassen möchte.

Ausgerechnet am Sonntag setzte sich bei uns völlig ungeplant und unverhofft die Sonne endlich mal beim dauergrauen Hochnebel durch und ab 14:00 Uhr war hier ein strahlenblauer Himmel. Eigentlich ein Grund zur Freude, denn die Teleskopausrüstung stand seit einer Woche fix fertig zum Greifen gepackt im Flur, aber just an diesem Wochenende war Obstbaumschneiden angesagt und so hatte ich schon 10-12 Stunden "Kopf in den Nacken" und "Blick nach oben" intus. Nur der Fokus war - zugegebenermaßen - mit 6-8 Metern etwas näher als astronomisch üblich. Aber die Gelegenheiten sind zur Zeit ja eher selten, also funktionierten die üblichen Ausreden nicht. Nun, dann ab ins Auto und los ...

Am Beobachtungsort auf den Odenwaldhöhen angekommen (hier bei uns unten war mir die Transparenz etwas zu mäßig), gab es die nächste Überraschung: Schnee! Uups .. nun gut, ich war ja auch auf über 500 m Höhe.

Also stapfte ich durch knöchelhohen Schnee und fand auf einer Wiese eine freigetaute Fläche, wo ich meine Ausrüstung aufbauen konnte. Fast etwas aus der Übung gekommen durch die lange Abstinenz dauerte es, bis die Handgriffe wieder automatisch abliefen, aber nach 20 Minuten (akzeptabler Durchschnitt), war alles aufgebaut.

Aus der Übung war aber auch meine NEQ6, die mir schon wieder mal nach Ende des Alignments die Rückmeldung „May be poor“ gab. Sei's drum ...

Jupiter stand schon ein gutes Stück über den Horizont und war mein erstes Ziel. An den feinen Strukturen kann man gut die Temperaturanpassung des Hauptspiegels beurteilen. Und - wie erwartet - er brauchte noch ein bisschen. Kunststück, denn es war ja unter 0° und das Teleskop kam aus dem warmen Innenraum. Aber nach 40 Minuten war die Temperaturanpassung schon akzeptabel. Mittlerweile war auch Sebastian, ein Astronomiebegeisterter aus der Nähe, mit dem ich von Zeit zu Zeit beobachte und den ich noch kurz vorher angerufen hatte (wir lauerten schon ewig auf eine Beobachtungsmöglichkeit) mit seinem 8" Dobson angekommen.

Sebastian hatte ein Fernglas und eine Aufsuchkarte für den Kometen Lovejoy dabei, den wir nach etwas Sucherei dann fast im Zenit stehend fanden. M32 hätte auch einen guten Kometen abgegeben - vor allem mit einem tollen Schweif und einer interessanten Koma (peinliche Verwechslung). Einmal gefunden, konnte ich Lovejoy dann tatsächlich noch visuell am Himmel ausmachen: Ganz schwach, aber definitiv der Komet - wohl das letzte Mal mit bloßem Auge. Aber das bestätigte mir dass es im Odenwald noch einen einigermaßen dunklen Himmel gibt.

Jupiter, der Zyklop
Ein Blick durchs Okular zeigte mittlerweile einen sehr ruhig stehenden Jupiter mit klar strukturierten Bändern und dem großen roten Fleck (sollte ja momentan besser großer blassoranger Fleck heißen) perfekt mittig auf dem Planeten, wie ein einäugiger Riese. Beim Spiel mit den Vergrößerungen zeigte sich schnell das gute Bedingungen herrschten.
Für Planetenbeobachtungen nutze ich gerne die BAADER Genuine Orthos, weil sie eine geniale Schärfe auf der Achse bieten und in ihrem Brennweiten sehr fein gestaffelt sind, so dass ich bei meinem TAL-250K mit seinen 2130mm Brennweite fein differenzieren kann (170x, 236x, 304x, 355x, 426x). Vergrößerungen bis 304x waren gut möglich, punktuell auch noch einen Ticken höher, das kommt selten vor.
Um den GRF war auf einer Seite ein umlaufendes, dunkles Band zu erkennen, natürlich die beiden Wolkenbänder am Äquator, eines davor deutlich dunkler und unregelmäßiger, aber auch in beiden Polregionen war jeweils noch ein weiteres Band gut sichtbar. Eines davon prominent dunkel auf hellem Grund, das andere, deutlich schwächer und hell auf dunklerem Hintergrund.
Teilweise stand Jupiter sehr, sehr ruhig - auch bei diesen hohen Vergrößerungen - im Okular. Leider wehte auf der freien Fläche über dem Schnee ein böig auffrischender Wind, schlecht für meine Finger und jedes Mal wenn so eine Windböe in den Tubus geriet fiel das Bild zusammen um sich kurz danach wie von Geisterhand wieder aufzubauen.

A+B+C+D = E+F
Danach beschloss ich den Tubus etwas aus dem Wind zu drehen und dafür bot sich natürlich M42 an. Also wechselte ich zu den LVW Okularen und niedrigen Brennweiten. Der Orion Nebel bot diesen Bedingungen ein grandioses Bild. Die Schwingen weit aufgespreizt und bis in die letzten Spitzen deutlich strukturiert. Besonders beeindruckend war das Innere des Orionnebels, das mir eher selten so kontrastreich und strukturiert in Erinnerung ist: die dunkle Einbuchtung, dahinter Theta1 und Theta2 Orionis und dazwischen Unmengen von hell-dunkel Abstufungen, Zirren und Schleier. Schon im 22 mm Okular sahen die vier Sterne im Trapez wie kleine, funkelnde Minidiamanten aus. Als mich mit den Vergrößerungen näher herantastete tauchte völlig problemlos die E-Komponente auf und mit etwas mehr Konzentration war dann auch F zu sehen. Je nach Windbedingungen waren die beiden Ministernchen auch mal ein paar Sekundenbruchteile "weg" um dann aber sofort wieder "da" zu sein.
Das grandioseste Bild bot mir aber das LVW 8mm oder 13mm Okular (ich war so von Socken, dass ich mich tatsächlich nicht mehr erinnere welches Okular da drin steckte). Okularfüllend war der innere Bereich von M42 sehen, in der Mitte Theta1 Orionis mit allen sechs Komponenten und bis zum Rand des Gesichtsfelds waren Nebelschwaden und Schlieren in allen Helligkeitsstufen und Schattierungen zu sehen. Das gesamte 65° Gesichtsfeld des Okulars bestand nur aus kontrastreichen(!) Nebelflecken. SO habe ich das definitiv noch nicht gesehen, sehr beeindruckend.

Wolkenpause
Der Rest des Abends ist schnell erzählt. Zunächst verordnete uns eine von Nordosten kommende Wolkenbank eine Pause, was wohl der Grund war, warum ich M79 partout nicht finden konnte. Sebastian hatte den vorher per Starhopping mit seinem Dobs tatsächlich aufgespürt. Respekt bei der Höhe über dem Horizont!

Reparaturarbeiten
Als es wieder klar wurde, stellte ich fest, dass mein TAL-250K, bzw. der Hauptspiegel doch tatsächlich erneut außermittig war, obwohl ich soviel Aufwand betrieben hatte, den im Warmen exakt auszurichten. Glücklicherweise hatte ich noch mein Werkzeug dabei und tatsächlich, als ich den HS wieder ausrichtete, waren die Kollimationsschauben hinten am Tubus nicht allzu fest. In der Erinnerung bemerkte ich, dass ich den Hauptspiegel bisher immer draußen und zwar immer bei recht niedrigen Temperaturen kollimiert hatte. Anscheinend machen die 25° Temperaturdifferenz von warm zu kalt in den Toleranzen der Metalle doch so viel aus, dass die Winzigkeiten reichen, dass der HS durch die Schrauben mit einem anderen Kräfteverhältnis gehalten wird. Umgekehrt, also im Kalten kollimiert und dann im Sommer beobachtet, zeigt sich kein solches Verhalten.
Jedenfalls nutzte ich Beteigeuze und anschließend Sirius (der Einblick war etwas bequemer) dazu, den Hauptspiegel wieder mittig auszurichten. Wieder aufziehenden Wolken dämpften das Licht von Sirius perfekt ab, so dass sich ein wunderschönes gering defokussiertes Sternscheibchen ergab. Gerade bei 426x Vergrößerung angekommen und die letzten Feinheiten korrigiert, knipste jemand Sirius und die ganzen anderen Lichter am Himmel aus und die große Show war vorbei. Tja ...

Als sich auch nach 15 Minuten aufwärmen im Auto und zwei Tassen heißem Tee nichts mehr änderte, packte ich gegen 22:00 zusammen. Schließlich wartete ja auch noch die Heimfahrt auf mich ...

Andreas und der TAL
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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