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Die lange Nacht der Sterne
#1
Zwei Tage nach dem Teleskoptreffen wollte ich die Schönwetterphase noch einmal nutzen, bevor aus dem Südwesten erst mal recht feuchte Luft und danach aus Norden (schon wieder mal) kühle Polarluft zu uns schwappt.
Allerdings habe ich mich doch etwas verzockt, bzw. bin Meteoblue auf den Leim gegangen, dass für Sonntagabend richtig gute Bedingungen vorhersagte. So habe ich die Samstagnacht sausen lassen und mich auf Sonntag konzentriert. Ebenso wie Uwe muss ich aber konstatieren, dass der Sonntag letztlich nur durchschnittliche Bedingungen bot.
Mir schwante schon Übles, als ich beim Aufbauen im Odenwald feststellte, dass die recht starken Luftböen aus östlicher Richtung mit der anbrechenden Dunkelheit nicht abnahmen, sondern sich punktuell sogar noch steigerten.
Na ja, so war es halt - der Abend war alternativlos. Zumindest Polaris war dieses Mal problemlos (es war ja ganz wolkenlos) einzustellen.
Vom Teleskoptreffen her hatte ich noch eine Menge Objekte in der Planung, da ich mich ja im wesentlichen (für die neugierigen Besucher) auf kosmische Standardobjekte beschränkte.
 
Ein erster Schwenk mit dem TAL-250K am noch blau-grauen Himmel zum schon sichtbaren Jupiter, zeigte eine erstaunliche Detailfülle. Der Große Rote Fleck im unteren Band war genau mittig, so dass der König der Planeten wie ein riesiger Zyklop daher kam. Umlaufend war um der GRF eine weiße Bänderung und auch in dem nachfolgenden braunen Bereich waren mehrere weiße Wirbel eingelagert. Auf der Planetenseite des GRF waren noch zwei weitere Bänder zu erkennen, während auf der anderen Seite des Äquators, ziemlich genau am selben Längengrad des GRF, ein dunkles Gebiet zu erkennen war. Ansonsten blieb diese Seite des Planeten ziemlich monochrom, ockerfarben ohne weitere Strukturen. Die Jupitermonde standen in Reih- und Glied und wieder war es so, dass ich sie (einmal bewusst gemacht, fällt es mir nun immer leichter) auch größenmäßig (nicht nur via Helligkeit) gut voneinander unterscheiden kann. Ganymed kam mir sehr "flächig" vor, aber ohne Details preiszugeben. Dieser Anblick von Jupiter sollte für den ganzen Abend der Beste bleiben. Nur für den Io-Transit vor der Planetenscheibe kehrte ich später nochmal zu Jupiter zurück.
 
Nachdem es nun dunkler wurde machte ich mich auf den ersten Weg zu den ersten Galaxien des Abends. M81 stand sehr hell im Okular und der große, linsenförmige Kern leuchtete nahezu in der Dunkelheit. Die feinen Spiralarme waren aber nur andeutungsweise zu sehen. Knapp daneben und im 22mm LVW Okular (96x) gleichzeitig zu sehen war M82. Heute gut sichtbar das prominenten Staubband das die Galaxie fast scharfkantig nach eine Richtung begrenzt. Zum ersten mal bemerkte ich auch ganz deutlich das fast mittig und quer zur Galaxie liegende Staubband, dass die Galaxie in "zwei Hälften" (60:40) teilt. Die Vergößerung ließ sich problemlos mit dem 17mm, 13mm und 8mm LVW (125x, 163x und 265x) steigern. Beeindruckend war die Größe der Galaxie (fast gesichtsfeldfüllend) im 8mm LVW. Hier bemerkte ich nochmal wie gut die LVW-Serie mit dem Klevtsov harmoniert. Selbst am Gesichtsfeldrand waren die Sterne punktförmig und nicht verzogen.
Weiter ging es zu NGC3077, einer schwächeren, irregulären Galaxie die aber (obwohl sie manchmal nur ab 10" und sehr guten Bedingungen empfohlen wird) problemlos zu finden und zu sehen war. Im 42mm LVW passten dann alle drei (zwar nur knapp, aber dennoch) ins Gesichtsfeld (rund 1.3 Grad) des Klevtsov. M109 bot ebenfalls ein schöne, helle Struktur, die ich fast mit einer klassischen Balkenspirale verwechselt hätte. Aber sie bietet ja am Rand noch richtig ausgedehnte Spiralarme.
 
Jupiters Geist, NGC3242, war dagegen wenig spektakulär und blieb im wahrsten Sinne des Wortes ein "Geist". Auch bei hohen Vergrößerungen ließ sich nicht allzu viel Detail herauskitzeln. Nur die interessante blau-grüne Farbe (kann man fast "karibisch" nennen) lohnte die Beobachtung.
 
Von Uwes Galaxien-Tour schwer beeindruckt (siehe seine NGC Aufzählung), wollte ich diesmal Charles Messier die Ehre geben und wühlte mich durch seine Messier-Objekte im Löwen. Gut, in Zeiten von GoTo (und meine CEM ist da noch mal deutlich präziser als die meine NEQ6), ist das finden solche Objekte keine große Herausforderung mehr. Das Beobachten dafür umso mehr. Mein Respekt für Messier der diese ganzen feinen, "nebligen" Objekte entdeckt, katalogisiert und auch noch auseinanderhalten konnte, stieg an diesem Abend gewaltig an. Was für eine Leistung und welche Fähigkeit in der Himmelsbeobachtung und Orientierung waren da vorhanden. Wenn man sein Teleskop unter ein modernes Interferometer legen würde käme man wahrscheinlich auch noch auf einen Strehlwert von 0.2-0.3 Punkten - also das, was man heute als "optische Gurke" verunglimpfen und man nur noch - wenn überhaupt - wie eine heiße Kartoffel anfassen würde.

Ich bin mir sicher das ich zusätzlich mindestens doppelt so viel, mir völlig unbekannte, kleine Galaxien gesehen habe. Unter den Bekannten waren: M49, M58, M60, M61, M84, M86, M87, M88, M89, M90. An diesem Galaxien-Marathon merkte ich auch wie wahnsinnig viel Konzentration und Übung es erfordert innerhalb dieser Galaxien Strukturen, Zusammenballungen, dunkle Gebiete zu erkennen und zu unterscheiden. Üben, üben, üben ...
M104 (Sombrero-Galaxie) machte es mir da schon wieder leichter. Immer wieder schön das dichte Staubband dieser Galaxie so deutlich zu sehen, dass die Galaxie längs in "zwei Drittel zu ein Drittel" aufteilt.
Ein schönes Highlight dieser Nacht war die Galaxie NGC4965, die in Kantenlage im Okular erscheint, recht hell ist und dadurch auch hoch vergrößert werden kann. Im Winter 2015 hatte ich bei Eiseskälte und dunkelstem Himmel eine noch bessere Beobachtung dieser Galaxie, aber der heutige Anblick stellte mich vollends zufrieden. Gerade nach der obigen "Fitzelchen-Tour" ist es für mich immer eine große Genugtuung solche gigantischen Welteninseln auch richtig groß im Okular zu haben. Ich finde das steht ihnen auch zu ...
 
Nach einem kurzen Schwenk zu NGC 5897 (den hat der Messier dann doch nicht gefunden) ging es weiter zu M3. Im Vergleich zu M13, was mein nächstes Ziel war, erscheinen die obigen Kugelsternhaufen (KS) recht "klein" und "dünn" aufgebaut, aber ich liebe einfach diese Teile. Einen Gutteil trägt da wohl das TAL-250K bei, dass einfach Sterne (auf dem Teleskoptreffen hatte ich wieder Vergleichsmöglichkeiten) sehr ästhetisch, nadelfein und (trotz Obstruktion) wenig aufgebläht oder weichgezeichnet abbildet. Mit den LVW Okularen - gut, nur 68 Grad Eigengesichtsfeld, aber dafür auch im gesamten Feld sehr gut - ergeben sich wunderbare Anblicke.
 
So langsam verspürte ich den Wunsch nach ein bisschen Farbe und so schwenkte ich zu Ras Algethi, einem schönen, engen Doppelstern, dessen Komponenten orange-blau schimmern. Bei der Beobachtung des engen Doppelsterns fiel mir wieder Jupiter und der Io Transit ein. Also beeilte ich mich und kam gerade pünktlich an. Io war noch geschätzte 2-3" Bogensekunden von Jupiter weg und näherte sich langsam an. Immer wenn ein Mond vor Jupiter vorbeizieht kriege ich so was wie einen 3D-Effekt im Beobachten, weil sich mit dem Mond am Planetenrand eine viel stärkere räumliche Tiefe einstellt. Der Mond hat auf ja auf sich selbst nochmal einen kleinen Terminator (sind ja oft aus irdischer Perspektive nur zu 90-95% beleuchtet), der sich dann vor dem hellen Planeten zusätzlich noch schön hervorhebt.
 
Nach dieser kurzen Rückkehr ins Sonnensystem, ging es wieder in den galaktischen Halo zurück: M10, M12 und M14. Den letzten KS hatte ich vorher anscheinend noch nie beobachtet, denn ich war völlig perplex wie blass-schwach er war. Üblicherweise bin ich bei Kugelsternhaufen große, recht helle, in Einzelsterne auflösbare Sternansammlungen gewöhnt. Hier blieb er grau und verwaschen und aufgrund der geringen Helligkeit brachte eine Höhervergrößerung um besser Einzelheiten auszumachen auch nichts, sondern er wurde einfach zu dunkel. Hmm... Ich muss mal nachlesen was für ein (besonderer?) Geselle das ist.
 
Intergalaktisch ging es noch ein Stück weiter - ich musste noch etwas Zeit "verschwenden", da Mars und Saturn erst langsam an Höhe gewannen. Also machte ich noch einen kurzen Stopp bei M102, einer großen, hellen Galaxie im Drachen. Von Bildern weiß ich, dass M102, eine spindelförmige Galaxie in Kantenlage, ein feines, mittiges Staubband hat, aber das blieb unentdeckt. Ganz anders NGC6503 meine letzte Galaxie, eine schon fast unverschämt helle Galaxie im Kernbereich, die aber kein bisschen ihrer inneren Struktur offenbart.
 
Mittlerweile war es jenseits von 2:00 Uhr und ich wagte einen ersten Versuch an Mars und Saturn. Hin und wieder waren die Windböen, die am frühen Abend auftauchten weg, aber es hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das Seeing. Sehr gute Momente (so rund 10-20 % der Zeit) wechselten sich mit durchschnittlichen und oft unterdurchschnittlichen Phasen ab. Anders als bei Uwe war auch der Saturn komplett enttäuschend.
 
Trotzdem wollte ich mit der ASI ein paar Planetenvideos machen. Wie anfangs geschrieben, waren ja hervorragende Seeing-Bedingungen (durch Meteoblue) angekündigt und ich hatte gehofft wirklich gutes Rohmaterial zu bekommen. Dem war nicht so, aber ganz umsonst wollte ich das Zeug auch nicht mitgeschleppt haben. Von den 10GB Material war letztlich nur ein Film von Mars verwendbar (rund 10000 Bilder, 25% Verwedungsrate, Bearbeitung über AviStack und Giotto). Und das obwohl ich die Bildausschnitte extrem klein wählte (bei der CEM pendelt der Planet in der Nachführung nur 5-10 Pixel), mit Gain und Gamma nach oben ging, um schnelle Bildraten zu erzielen. Beim Mars lagen sie um die 80-90 Bilder pro Sekunde und das hat sich zumindest in einigen ruhigen Momenten der Atmosphäre ausgezahlt. Vorher machte ich aber noch die dumme Entdeckung, dass ich (na super!) die 2x und 2.5x Barlow nicht mit dabei hatte. Ich hänge mal ein kleines Ergebnis hier an - für nur 2m Brennweite des Klevtsov  bei den windigen Bedingungen ganz ordentlich. Erstaunlich ist, dass im Vergleich zu 48 Stunden vorher, sämtliche Wolkengebiete fast weg waren.

   

Neue Aufnahmestreams wollte ich angesichts der fortgeschrittenen Zeit (jetzt war es kurz vor 3:00 Uhr) nicht mehr unternehmen, schließlich muss bereits in wenigen Stunden schon wieder raus. Also ging nach Hause zu einem völlig überraschten Hund, der die nächtliche Störung gegen 4:00 Uhr mit großen Unwillen zur Kenntnis nahm und dann in meine wohlverdiente Nacht.
 
Naja, eigentlich begann es schon wieder zu dämmern, als bei mir die Nacht begann. Astronomisches Maulwurfsleben ... aber mit viel größerem Horizont.
 
Andreas

Ach ja: Die obige Tour hört sich riesig an, aber sie hat ja auch über 6 Stunden gedauert ... also richtig viel Zeit für manche Objekte.
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Christoph (09.05.2016), Florian B. (11.05.2016), Georg (09.05.2016), Herbipollution (11.05.2016), Karsten (15.05.2016), Martin.F (09.05.2016), Ralf (09.05.2016), Ulf (09.05.2016), Uwe (09.05.2016)
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#2
Hallo Andreas,

ich kann deinen Jupiterbeobachtung zu 100% bestätigen. Er war das schönste Objekt des Abends und deine Beschreibung trifft das Gesehene hervorragend.
NGC 3077 ist durch ihren hellen Kernbereich auch gut im 8"er Dobs erreichbar... unseren guten Himmel vorausgesetzt Wink

Hoffentlich hast du NGC 5907 neben M 102 nicht sausen lassen. Sie ist eine der schönsten "Nadeln" am Himmel und füllt bei guten Bedingungen so manches Okular formatfüllend aus. Wir hatten sie in Ralfs 12" Dobson beim ITV "abgeschossen" - einfach ein Brett Tongue

Glückwunsch zum kleinen Mars. Der macht sich so doch wirklich gut!!!

Dein Bericht ist wieder lebhaft erzählt und vermittelt besonders gut, wie man sich draußen über die Objekte hermacht, sich freut und manchmal auch etwas stutzig durchs Okular blickt. Unser Hobby ist halt unberechenbar und hält so manche Überraschung bereit.

Ich denke heute haben wir uns in der Nacht zumindest die erste Verschnaufpause verdient. Nach dem verkorksten Frühjahr sind wir in den letzten Tagen doch zu genüge entschädigt worden. Eins zwei Wochen noch durchwachsenes Wetter und dann stehen wir schon vor den Weißen Nächten.
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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#3
Hallo Andreas!
Tolles Marsbild und freilich auch der Bericht. Da hast Du ja einen ganzen Sack voller DS-Objekte abgegrast! Daumen hoch

Meine Jupiterbegegnung vom Samstag habe ich ja schon geschildert. Einfach klasse, wenn der König der Planeten ruhig im Okular steht. Den räumlichen Effekt (als Io vor die Jupiterscheibe zog) hatte ich heute im übrigen auch, als sich Merkur langsam vor die Sonne schob! Cool 

Die Mars-"Polkappe" vom Teleskoptreff ist hier deutlich als Hellasbecken zu sehen. Polkappen sind im Moment nicht sichtbar von uns zumindest aus. Und dass die Wolken weg sind, ist ja kein Wunder: bei dem Wind!!! Tongue
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#4
Hallo Andreas,

Super Mars, genau so hat er auf dem Treffen ausgesehn.
Astronomische Grüße
Ulf

[Bild: signatur.jpg]

Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren!
Benjamin Franklin
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#5
Hallo Andreas,

Glückwunsch zu deinem ersten gelungenen Marsfoto! Daumen hoch

Mit der ASI 120 bin ich mit f/18 - f/19 immer gut gefahren was den Abbildungsmaßstab angeht. Da liegst du mit der 2X Barlow genau richtig, wenn du sie dabei hast. Wink

CS!

Frank
Nur in einem ruhigen Teich
spiegelt sich das Licht der Sterne...
(aus China)
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