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The day after ...
#1
Der Tag nach dem Teleskoptreffen sollte nochmals verbesserte Bedingungen bieten. Deswegen räumte ich  das Auto gar nicht aus (nur die Teleskope kamen ins Kühle) und fuhr am Samstag (7.4.) nochmals in den Odenwald.

   

Gleich vorneweg - nichtdurchgehend war es phänomal, aber stellenweise boten sich exzellente Bedingungen. Nachdem bis ca. 21:30 Uhr noch ziemlich die Thermik des Tages die Luft bewegte, wurde es dann langsam ruhiger. Himmlisch gesehen ...

   

Irdisch erfüllten sich meine Befürchtungen als ich die aufgerissene Wiese sah, neben der ich aufbaute. Leckere Engerlinge unter der Grasnarbe, Wildschweindelikatesse ... Dummerweise stand der Wind auch noch so, dass er vom Wald her in meine Richtung wehte. Umgekehrt reicht mein Duft und der Hundeduft im Auto immer aus um die Teile auf Distanz zu halten, aber so bemerkte die Rotte, die aus dem Wald kam, mich nicht. Dafür konnte ich sie schemenhaft in 150m Entfernung sehen, gut hören und noch besser riechen. Zum Glück hatte ich zwei Holzbretter im Auto und konnte die, wie ein Starter beim 100m-Rennen, zusammenknallen. Beim ersten Knall blickte die Leitbache noch unschlüssig in meine Richtung, beim zweiten Knall stürmte sie dann durch das Gehölz zurück in den Wald und die Rotte mit den ganzen Frischlingen mit Riesenkrach hinterher ...
Uff ... gibts eigentlich ein Sternbild namens Wildschwein? Ich glaube nicht. Also gut dann: Löwe.

Die Galaxienbeobachtungen des Teleskoptreffens waren mir noch in lebhafter Erinnerung. Also graste ich den Löwen ab und machte Galaxienhopping. Mit dem iPhone, das meine CEM60 mittlerweile via SkySafari steuert, war das eine coole Sache. Unglaublich wieviel Galaxien sich da tummeln. Irgendwo um 11-12 mag haben sich diese lichtschwachen Gesellen dann nicht mehr einfangen lassen. Klassiker waren natürlich auch dabei: M65, 66, Makarians Kette, aber auch zahllose mir bis dahin unbekannte NGCs.

Aber am eindrücklichsten war in dieser Nacht M101. Manchmal ist diese große, aber deswegen auch sehr lichtschwache Galaxie im TAL-250K kaum zu erahnen. Dieses Mal stand sie aber prominent im Okular und bot ein tolles Schauspiel. Je länger man beobachtete, desto mehr „wuchs“ sie an Größe, indirekt zeigten sich erste hell-dunkel Schwankungen der Spiralarme. Das habe ich noch nie hier gesehen - wow. Der heute Eindruck übertraf am Ende sogar meine bis dahin beste Beobachtung vom M101 in Madonna di Campiglio auf rund 1500m Höhe.

Dazwischen gab es aber auch immer wieder flaue Phasen, als würde ein kosmischer Nebelwerfer unterwegs sein. Um einen Eindruck zu gewinnen was heute im Odenwald möglich war, ein kurzer Blick auf Tegmen, Tegmine, Tegmeni (Zeta cancri). Die Namen stammen nicht aus den Disney-Studios sondern sind tatsächlich historisch (lat. Gewand). Aber, zeta cancri ist ein schöner Doppelstern/Dreifachsystem mit aktuell 1“ Distanz zwischen den engen Partners, andere Quellen sprechen auch von 0,8“. Im 13mm LVW Okular war Tegmen locker getrennt und zwar so deutlich, dass ein erheblicher Zwischenraum zwischen den beiden Partnern lag. Da hätte locker noch ein weiterer Stern reingepasst - wenn die Abstände oben passen waren das in den Moment um die 0,6-0,7“ Auflösung. Das ist schon außergewöhnlich. Später ließ sich das auch nicht mehr so deutlich wiederholen. Wie geschrieben: wechselhaft ...

Außergewöhnlich war auch M51, die Whirlpool Galaxie, bei der ich auch zum ersten Mal nach langem indirekten Sehen bei beiden Spiralarme komplett wahrnehmen konnte, wie sie sich um den Kern der Galaxie wickeln. Schwach - der Schrei nach mehr Öffnung war deutlich zu hören - aber doch stabil sichtbar. Auch die „Brücke“ zum kleineren Partner war wahrnehmbar bis auf die Stelle wo eine Staubwolke das Band unterbricht.

M81 war dementsprechend auch wunderbar kontrastreich. Nicht ganz so hell wie ich sie schon in Erinnerung hatte, aber dafür unheimlich fein gezeichnet, da sich darin ja unheimlich viele Staubstrukturen befinden, die von dem Seeing profitieren konnten.

Gegen Mitternacht war dann M13 hoch genug, um einen schönen Abschluss zu haben. Spaßeshalber trieb ich die Vergrößerung (die Bedingungen ließen es zu) auf 425x - was mir zwar einen nicht mehr allzu hellen M13, aber dafür gesichtsfeldfüllend und sehr stabil (da waberte nichts) einbrachte. Wow, das ging schon lange nicht mehr ... Ab schönsten ist M13 aber bei 160-240x im Klevtsov, schön aufgelöst, die hellen Sterne im Zentrum als feine Sternpünktchen.

Dann ging es ans Einpacken. Bei der Fahrt ins Tal bekam ich dann den Grund für die sehr wechselhaften Bedingungen auch noch mit. In den Höhen des Odenwalds waren es um Mitternacht noch 13,5 Grad warm, als ich unten ankam waren es nur noch 5 Grad. Kein Wunder dass da so eine Dynamik in den unteren Luftschichten drin war. Umso schöner, dass die Bedingungen dann doch so viele gute Beobachtungen zugelassen haben ...

Andreas-TAL
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Christoph (09.04.2018), Florian B. (08.04.2018), Gerhard (08.04.2018), Herbipollution (08.04.2018), Karsten (08.04.2018), Martin.F (08.04.2018), Ulf (08.04.2018)
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#2
Guten Morgen Andreas,

einen klasse Bericht hast du wieder verfasst. Toll was du alles beobachten konntest und wie du schon schreibst, war die Nacht wirklich ein "Sahnestück" der Himmelsbeobachtung!!! Daumen hoch

 Wir hatten hier bei uns auch den Eindruck dass zwischendurch die Bedingungen etwas schwankten, aber insgesamt war es eine wunderbare, seltene, ja beinahe kostbare Beobachtungsnacht, die lange in Erinnerung bleiben wird.
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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#3
Hallo an die Aktiven,
angeregt durch Andreas Prognose für sensationelle Bedingungen wollte ich diese Rarität auf CCD festhalten. Hmm, die FWHM Werte waren leider nur durchschnittlich , die Durchsicht gut - aber am 6.4. war die Durchsicht meiner Meinung nach besser. Das soll kein Jammern sein - zwei klare Nächte ohne Mond am Wochenende, das ist schon eine selten gewordene Sensation Daumen hoch 

CS
Ralf
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#4
Ja, ist eine interessante (theoretische) Frage woraus sich das Seeing alles zusammensetzt, welche Faktoren dominieren und welche man in den Griff bekommt.
Die Faktoren für die Nacht vom 7. zum 8. April standen alle auf (jenseits) von Optimum. Das hat sich auch während der Nacht nicht groß geändert, bis auf die Transparenz, die kontinuierlich schlechter wurde. Hier der Stand von Sonntagmorgen:

         

       

         

(Was was ist, kann man oben im Screenshot entnehmen).

Der Faktor auf den ich am meisten blicke ist der Jetstream (oben „Wind Tropopause“). Aber hier ist es auch nicht so, dass weniger optimal ist. Manchmal kommt der fast zum „Erliegen“, genauer gesagt er dreht in einer engen Schleife um, und dann heben sich die Geschwindigkeiten für einen kurzen Moment in einem sehr eng definierten Gebiet gegenseitig auf. Das ist nicht zwingend optimal, weil dann eine sehr zufällige, chaotische Windstruktur vorherrscht und diese unruhigen „Blasen“ sind für das Seeing abträglich. Andererseits - wenn es so etwas wie visuelles „lucky imaging“ gibt, dann in diesen Momenten, wo ganz kurzzeitig wirklich alles passt um sofort danach wieder zusammenzubrechen. Fotografisch (im Langzeitbereich) verschmiert das sofort wieder auf die FWHM Werte, die diese Lage im Durchschnitt bietet. Im AVI Video hat man dann sehr schöne Einzelbilder, aber zu wenig um daraus ein sehr überdurchschnittliches Ergebnis zu stacken (auch hier zieht der Durchschnitt das singuläre Ergebnis runter).

Für Fotografie scheint es besser zu sein, wenn die Jetstream sehr gleichmäßig ist, aber strömt (also Quasi wie ein Tubuslüfter in der Atmosphäre).

[KURZE PAUSE: Hund ist auf Freiersfüßen durch das Dorf unterwegs - leider ohne uns - muss mal kurz weg ...]
[PAUSE BEENDET: Canis major, id est „Jonny“, id est „Sauhund“ Wink ist breit grinsend wieder da]

Also ein schöner, nicht ganz so schneller Jetstream, kann fotografisch wohl auch förderlich sein, weil die Qualität in der Breite steigt.

Bei meinem Platz im Odenwald hat definitiv das lokale Seeing den Ausschlag gegeben. Wie geschrieben war es in de Höhenlagen dort um Mitternacht noch 13,5 Grad warm. Keine Ahnung was dieser Platz hat, aber mir ist schon mehrmals aufgefallen dass der öfter temperaturmäßig aus der Reihe fällt. Irgendwo dort oben gab es vor 1500 Jahren eine große römische Therme, die heute noch in Ihrem Grundriss (jetzt im Wald) erhalten ist. Die wussten schon wo sie so was bauen müssen, die Römer ... hatten aber dieselben Sterne über sich, wenn sie sich aus dem Dampfbad kommend, in ihren Togen draußen abkühlten. Hat auch etwas Erhabenes der Gedanke.

Auf die nächste optimale Wetterlage, was auch immer optimal meint ... Smile

Andreas-TAL
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
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#5
Hallo Andreas!
Leider war ich ja am Wochenende "angebunden" (ich wollt´, ich wär dein Hund! Big Grin Tongue ), sodass ich nur in meine Sternwarte gehen konnte und mich dann während der Belichtungszeit von M60 aufs Ohr legte. Dabei kamen über 10 h LRGB zusammen und ein messbarer, vielleicht objektiver Vergleich beider Nächte:

Transparenz:
6.-7.4.2018: SQM von 21,2 mag/"^2,
7.-8.4.2018: SQM von 20,9 mag/"^2    -----> eindeutig der 6./7.4. die bessere Nacht.

Seeing: Es kommt drauf an!
Oft hatte die Nacht vom 7.-8.4.2018 die Nase vorn (≈2,5" FWHM), zwischendurch aber auch immer wieder mal die Nacht vom 6.-7.4.2018 (≈2,7" FWHM).

Temperatur ging jeweils runter auf 2° Celsius bis früh morgens um 5 Uhr MESZ!!!

Insgesamt waren weder die eine noch die andere Nacht bei mir der besondere Kracher. In jedem Falle brauchbar!
Das Gesamtbild quittierte es mit einer Tiefe von ca. 22,5 mag in 5,3 h L, was bei einer Deklination von 7° nicht so schlecht ist, wie der Franke es formulieren würde.
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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Andreas-TAL (09.04.2018), Astrokarsten (10.04.2018)
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