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Zeiss AS 63 - Liebe auf den zweiten Blick
#1
   
Hallo Zeiss-Interessierte,
der Zeiss AS 63/840 mit Knicksäulenmontierung stand im Auftrag zum Verkauf an.

Sicherlich sollte der Verkäufer einen angemessenen Betrag erhalten und die Bewertung ist nicht einfach. Es gibt einen Sammlermarkt für solche Geräte, die auch hohe Preise bezahlen. Allerdings ist nicht Alles wertvoll nur weil das Zeiss Logo angebracht ist. Es kommt sehr auf den Zustand und das genaue Produkt an, ob es für Sammler wertvoll erachtet wird. Ich zähle mich nicht zu den Sammlern und ein Zeiss Produkt ohne praktischen Nutzen macht es für mich nicht reizvoll. Erst die nähere Beschäftigung mit diesem Gerät hat in mir eine Wertschätzung erweckt, die ich mit Euch teilen möchte und auch dazu geführt hat, das Gerät selbst zu erwerben.
   
Die Holzkiste ist für sich genommen eine handwerkliche Leistung, die heute nicht mehr erhältlich ist. Die Montierung ist zusammen mit dem Tubus und den Okularen als funktionale Einheit untergebracht und gut transportabel. Die freien Aussparungen in der Holzkiste lassen vermuten, dass es weiteres Zubehör wie Okularrevolver usw. gab, welches leider fehlt. Die zugehörigen orthoskopischen Okulare O-16 und O-10 ergeben sinnvolle Vergrößerungen für die detaillierte Beobachtung. Ergänzt durch ein Hygens 25 und ein O-16 mit Fadenkreuzeinsatz. Die Okularklemme M44/24,5mm ist komplett aus Metall und sieht aus wie neu!
Der AHA Effekt stellte sich ein, als die Gerätschaft das erste Mal mit Stativ aufgebaut wurde. Der aufgebaute Refraktor steht sehr solide in dieser Kombination. Die Nachführung erfolgt von Hand und läuft praktischerweise leichtgängig in der RA- Achse. Die Deklination geht schwerer und verstellt sich nicht ungewollt, wenn das Gerät richtig ausbalanciert ist.
   
Als Mechaniker bin ich von der Passung begeistert, wie das Gleitlager der RA-Achse gefertigt wurde. Beim Zusammenfügen der beiden Montierungsteile läuft der erste Zentimeter leichter zum Ansetzen, danach ohne fühlbares Spiel im Lager. Die Bewegung ist sehr gut kontrollierbar, ohne Losbrechmoment, seidenweich und nur durch eine Passung Edelstahl auf Edelstahl hergestellt!
   
Es ist gewissermaßen Kinderleicht und damit auch Kindergerecht, wenn das Teleskop gegriffen und bewegt wird. Hier muss sich der stolze Eigentümer keine Sorgen machen, wenn das Gerät kindertypisch benutzt wird.
   
Der Rohrtubus ist aus Aluminium, was sich am moderaten Gewicht bemerkbar macht. Montiert wird über den Zeiss typischen Schwalbenschwanz, der hier aus Edelstahl rostfrei gefertigt wurde. Für die Grobeinstellung bietet der Tubus einen Alu-Schiebetubus, der über gut 20cm Schiebelänge praktisch jedes Zubehör in den Fokus bringen kann. Die Feinfokussierung erfolgt über einen Helikal mit großer Steigung, der gut zum Öffnungsverhältnis passt. Es kann damit schnell über den Fokus gefahren werden um den besten Fokus zielsicher einstellen zu können. Zu Beachten ist dabei, dass der dünne Schiebetubus „Dellen“ von zu festem Anziehen der Klemmschraube davon tragen kann! Der Helikal läuft gut, solange nur mit wenig Gewicht belastet wird. Schwere Weitwinkelokulare führen zu schwergängigem Lauf. Passend für das Gerät sind neben den Zeiss Okulare z.B. die Baader Genuine Orthos oder andere leichte Okulare. Die Anmutung der Gesamterscheinung, die gewählten Proportionen mit der schlanken Taukappe und Details wie versenkte Schrauben mit gerundetem Schraubenkopf erwecken den Eindruck eines Präzisionsinstrumentes.

Optik:
   
Auf der optischen Bank zeigte sich unter Laborbedingungen, die jeden noch so kleinen Fehler aufgrund des doppelten Strahlendurchgangs gegen den Planspiegels deutlich hervorhebt, ein bildschönes Beugungsbild mit kreisrundem Beugungsring. In der Umgebung des Beugungsbildes zeigte sich ein violetter Hintergrund, der bei modernen Apos nicht sichtbar ist.
   
Bei Tagbeobachtung ist der violette Saum gut bei Beobachtung grüner Tannenzweige zu erkennen. Die sehr gute Abbildungsleistung in Schärfe und Glattheit des Bildes zeigte sich bei Sonnenfleckenbeobachtung, die sehr kontrastreich in erstaunlicher Feinheit zu beobachten sind. Nach dem visuellen Eindruck wollte ich den Strehlwert messen und mit meinem Schätzwert abgleichen, ob tatsächlich 0,99 Strehl erreicht werden.
   
Das Messergebnis zeigt bei 532nm ( Grün ) einen Wert von 0,985. Erstaunlich gut der P-V Wert um die Lamda 1/10. Die sphärische Korrektur mit dem „Berg“ in der Mitte zeigt auf, dass vermutlich der optimale Abstand zwischen den Linsen nicht mehr eingehalten ist. Bekannt ist, dass die Abstandsplättchen über die Jahrzehnte schrumpfen und damit die optimale Wellenlänge von ursprünglich „Grün“ zu einer anderen Wellenlänge gewandert ist. Ein Eingriff ist aber unangebracht bei diesem Ergebnis. Das Foto des Objektivs zeigt die Seriennummer, die genauere Informationen möglich machte.
   
Das Zeichen „Q1“ steht für beste Qualität dieses Produktes in der Herstellung. Die Fassung ist aus Gusseisen und die Optik ist mit Federring und Schraubring sauber eingebaut. In der Fertigung wurde seinerzeit der Fassungsdurchmesser mit einem Spiel von nur 1/100 Millimeter auf die jeweilige Optik ausgedreht. Ein immenser Aufwand für eine Optik mit nur 63mm Durchmesser! Die Fassung kann über das Fassungsgewinde vom Tubus herausgeschraubt werden und damit auch Einzeln gewartet und geprüft werden.


Historisches:
Ich bat einen Zeisskenner um Recherche zu dem Objektiv. Herausgekommen ist folgende Antwort:
Das Auftragsdatum für den Tubus mit der Seriennummer 36844 ist der 19.12.1960. Er ist ein Exemplar einer Serie von 250(!!!) „Rohrmontierungen“ für das Schulfernrohr 63/840.
Das Auftragsdatum für das Objektiv mit der Seriennummer 25054 ist der 17.06.1961. Es ist ein Exemplar einer Serie von 50 AS63/840-Objektiven.
Objektiv und Tubus sind offenbar zusammengehörig und wurden als Einheit verkauft. Man muss dazu wissen, dass Seriennummern für Objektive und Tubusrohre, Okularauszüge, etc. nicht aus der gleichen Nummernserie stammen. Für beide gab es separate Nummernserien, aus denen einem Fertigungsauftrag stets Nummernblöcke von z.B. 50 fortlaufenden Seriennummer zugeordnet wurden.
Du kannst dich also glücklich schätzen, dass dein Gerät eine Einheit und kein Sammelsurium von Einzelkomponenten ist.
Damit ist das Teleskop älter als ich es bin und die Erbauer sind heute entweder sehr betagt oder leben nicht mehr unter uns. Das Produkt der tüchtigen Optiker und Mechaniker besteht heute noch und das Alter von gut 62Jahren ist dem Gerät nicht anzusehen. Es ist von zeitloser Schönheit und noch voll gebrauchstüchtig. Gerade in Verbindung mit der Knicksäulenmontierung erlaubt es die parallaktische Verwendung ohne Stromversorgung und besonderem Aufwand. In kürzester Zeit kann es aufgebaut und auch von Kindern bedient werden. Es ist zu erkennen, dass der Zweck als Schulfernrohr in die Konstruktion eingeflossen ist. Für mich ist auch das hohe Können der Erbauer und die Liebe zum kleinsten Detail erkennbar. Die handwerklichen Fähigkeiten sind heute verloren gegangen in den modernen Zeiten, wo am PC geplant wird und CNC Automaten das Produkt bzw. die Einzelteile fertigen. So ist der AS 63 ein Zeuge seiner Zeit und gleichermaßen schön an- und durchzusehen. Für mich ein Gegenstand, den ich heute wertschätze und erst durch die Beschäftigung damit zum Staunen gebracht hat.
   
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Andreas Paul (18.05.2023), Astrokarsten (23.05.2023), Christoph (19.05.2023), Florian B. (21.05.2023), Jozie (18.05.2023), Martin.F (19.05.2023), Michael (29.05.2023), Uwe (20.05.2023)
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#2
Hallo Ralf,

Daumen hoch Daumen hoch Daumen hoch 

Zeiss is nice!

Hattest Du eigentlich schon Gelegenheit gehabt, durch das tolle Gerät mal in der Nacht durch zu schauen?
Die Bedingungen dazu sind ja derzeit elendig selten!
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#3
Hallo Christoph,
leider hatte ich noch keine Gelegenheit für Genussbeobachtung.
Das ändert sich nun hoffentlich mit dem Wetterumschwung. Die Ziele wären sicherlich Mond und im Laufe des Jahres Planeten. Für "Volksbeobachtungen" ist ein Herschelkeil für Sonnenflecken eine gute Sache.
Deep Sky ist sicherlich nicht das Anwendungsgebiet, aber zum "Erden" hilft eine Beobachtung mit 63mm sicherlich. Als Schüler wäre ich so froh gewesen, damit Beobachten zu können. Bei mir war es nur ein Quelle Spektiv 10 - 30  x 30. Selbst damit war ich schon über die Jupitermonde fasziniert.

Besten Gruß
Ralf
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#4
Hallo Ralf,
ja, das wünsche ich uns allen: baldig gutes Wetter um solche Top-Teleskope ausprobieren zu können!
Oder dann wenigstens im Herbst. Die Sommerpause naht ja mit dem nächsten Vollmond.
Bin gespannt auf Deinen Bericht!

and @ all,
wir sollten mal ein Treffen machen mit Teleskopen bis 72 mm. Cool
Die meisten von uns haben doch irgendein historisches Gerät mit einer ähnlichen Öffnung. Daumen hoch 

Im Sinne von "back to the roots", was wir gerne vor 40 Jahren gesehen hätten! Wink
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#5
Hallo Christoph,
ein guter Vorschlag mit den kleinen Teleskopen gemeinsam Beobachten und Vergleichen!
Sozusagen ein "Oldtimer-Treffen".
Dafür wäre der Halbmond sehr gut geeignet, gerne mit Jupiter. Also z.B. im August.
Es braucht dafür auch keine besonders geeignete Nacht, also keinen Neumond, um diese wertvollen Nacht nicht zu Lasten anderen Anwendungen zu verbrauchen.

Könntest Du dafür das Kloster als Veranstaltungsort anbieten?

CS
Ralf
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Christoph (21.05.2023)
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Christoph (21.05.2023)
#6
Hallo Ralf,
gute Idee, weil ja bis 72 mm mein grottenschlechtes Maintal-Seeing fast keine Rolle spielen sollte! Daumen hoch

Wenn ich mal in den Mond- und Planetenkalender schaue, wäre allerdings Ende September besser dafür als Ende August, da die Planeten sonst bis 22 Uhr und länger brauchen, bis sie über den Horizont kommen.
Was meinst Du?
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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Andreas Paul (21.05.2023)
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Andreas Paul (21.05.2023)
#7
Hallo Christoph,

schöne Idee, ein Treffen mit Teleskopen von vor Jahrzehnten.

Beisteuern könnte ich einen Refraktor mit 65 mm Öffnung.
Baujahr 1981. In originaler Holzkiste samt originaler Montierung.
Mit Zenitprisma und drei Okularen.

Die Montierung hat kindgerechte Höhe. Wie es sich gehört.
Erwachsene werden gebeten, auf die Knie zu gehen, oder
einen (niedrigen) Hocker zu verwenden.

Viele Grüße,
Andreas


To see the World in a Grain of Sand
And Heaven in a Flower
 
 . weniger . langsamer . einfacher . schöner .

 
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#8
Hallo Christoph,
der Einwand mit dem späten Aufgang der Planeten ist natürlich berechtigt.
Im August sind bestimmt auch einige potentielle Teilnehmer im Urlaub.

Evtl. kannst Du für weit angereiste Teilnehmer eine Übernachtungsmöglichkeit im Kloster anbieten?
Ich denke hier z.B. an Andreas.

CS
Ralf
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#9
Tolle Idee Christoph,

ich habe den Busch Refraktor aus den 30er Jahren, für den ich mittlerweile auch einen Okularadapter habe. 

@Ralf: der Telementor ist in der Tat klasse an der Sonne. Ich konnte mir eine Bild mit Lacerta Herschelkeil davon machen. Knackscharf!
Klaren Himmel und klaren Kopf wünscht Karsten
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#10
So ein Treffen wär klasse,

ich könnte meinen 60/910 aus den 60ern, der mittlerweile ebenfalls einen Adapter für "moderne" 1 1/4" Okular hat an den Start bringen.
Der bildet gar nicht so übel ab, nachdem die Linsen gerichtet wurden.
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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Christoph (23.05.2023)
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Christoph (23.05.2023)
#11
Hallo,
dann wäre eigentlich nur noch die Frage nach dem Termin für ein Oldie-Teleskop-Treffen.

Falls es in der Abtei Münsterschwarzach sein sollte ist mein Terminkalender leider an den Wochenenden eng gestrickt:
29.9.-1.10.
6.-8.10.
27.10.-29.10.

Welcher Termin ist der günstigste?
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#12
Hallo,
alles anders Tongue !

Gerade sind wir auf dem Stammtisch und fanden keinen anderen Termin als den !!! 28. / 29. Juli 2023 ab 20 Uhr MESZ !!!

Teleskoptreffen für Teleskope unter 3,254 Zoll und Baujahr vor 1980 in Münsterschwarzach (Parkplatz Fair-Handel GmbH -> im Internet findbar).

Wer mag, kann mit einer Sonnenbeobachtung mit (Vorsicht Satire!) Cool  Okularsonnenfilter Cool  beginnen.
Habe allerdings auch richtige Objektivfilter mit Baader-Sonnenfilter.

Mond kann, wenn er aus der Horizontabdunkelung heraus gekommen ist, mit dem Mondfilter beobachtet werden.

Wichtige Bedingung für die Okulare: kleinere Öffnung als das Objektiv; geduldet sind alle 1 1/4" Zoll Okulare, wobei jeder ein 0,96" Okular mitbringen muss.

Brennweiten müssen selbstredend in Zoll angegeben. Sleepy
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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#13
Hmm,

3,254" so so.  Blush

Da ist sie also wieder, die alte Angst der Refraktorfraktion vorm farbreinen Spiegel in Form des guten alten 4,5" f/8 Newton zb. meines tasco 11T Bj '83.  Wink Big Grin Angel

[Bild: tasco_11t.jpg]
Astronomische Grüße
Ulf

[Bild: signatur.jpg]

Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren!
Benjamin Franklin
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Christoph (27.05.2023)
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Christoph (27.05.2023)
#14
Hallo Ulf,

Big GrinDaumen hoch

Du hast völlig Recht: meinen Quelle-Spiegel wollte die Refraktor-Fraktion auch nicht dabei haben! Blush
Deiner sieht aber noch besser aus, als der meine. Vor allem die Montierung!
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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Ulf (27.05.2023)
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Ulf (27.05.2023)




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