Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Schmetterlingsnebel IC 1318
#1
Schmetterlingsnebel IC 1318

belichtet am 18, 20 und 21.8.2023
Verwendet wurden 361x1min subs in Summe 6 Stunden Belichtungszeit
Teleskop Astro-Optik-Manufaktur FLT 135 + Astrophysics Quad Reducer 0,72x bei 778mm Brennweite
Kamera ToupTekSkyEye Farbkamera mit IMX410 Sensor, Pixelgröße 5,94ym
Abbildungsmaßstab 1,6“/Pixel, Kein Autoguiding, keine Flatbilder,
Durchschnittliche Durchsicht, gute Luftruhe, sehr warme Nächte
Belichtet via NINA, Bearbeitet mit APP, Entrauscht mit DeNoise Al, Farbtonkorrektur


Nach fast einem Jahr Pause konnte ich in der Sternwarte wieder an der Stelle weitermachen, wo ich mit ersten Bildern um den Stern Sadr im Schwan aufgehört habe.

Für das vorliegende Bild wurde der Stern Sadr ( Gamma Cygni) nach rechts verschoben um den Schmetterlingsnebel IC 1318 möglichst bildfüllend belichten zu können. Der Stern Sadr steht räumlich einige hundert Lichtjahre vor dem Nebelkomplex. Die Dunkelwolke LDN 889 teilt IC 1318 diagonal, und ist in Teilen nicht so dunkel wie der Name es verspricht. Über Sadr ist der Sternhaufen NGC 6910 platziert.
Während der Bearbeitung habe ich mir  Bilder anderer Fotografen dieses Komplexes betrachtet und versucht mir selbst im Klaren zu werden, welche Informationen aus dem Farbbild gezogen werden können. Diese neue Generation von hochempfindlichen CMOS Sensoren wie der IMX 410 ist gewissermaßen ein „Game Changer“.
Die Version ist auf 4000Pixel in der Auflösung reduziert. Volle Auflösung findet Ihr hier: https://www.astro-theke.de/bildergalerie...id=1&pid=1

   

Ich füge hier einen Bildausschnitt in 100% der linken, oberen Seite ein. Hier sind zwei dunkle, gewundene Säulen zu erkennen ähnlich den bekannten „Säulen der Schöpfung“. Das Umfeld ist jedenfalls nicht nur dem roten Farbraum zuzuordnen und erscheint nur selten auf Aufnahmen. Tatsächlich finde ich dieses Detail bei keiner anderen Aufnahme in der Deutlichkeit. Den Grund dafür sehe ich der hohen Empfindlichkeit dieser Kamera im RGB Spektrum.
   

Einem Besucher zeigte ich das Bild und Er fragte mich: „sind die Farben echt ?“
Der Frage bin ich selbst nachgegangen und möchte meine Gedanken dazu hier darlegen.

Von der Sadr-Region gibt es viele Bilder in H-alpha, also mit Schmalbandfilter auf die Wellenlänge tiefrot H-a,656nm beschnitten. Deswegen lassen sich damit sehr kontrastreiche Bilder erzeugen in Bezug auf die reichlich vorhandenen Dunkelnebel.

Zum Aufhübschen werden solche Bilder gerne mit RGB-Sternen kombiniert, aber der Nebelbereich ist nur auf eine Wellenlänge beschränkt.

Die Kombination von mehreren Schmalbandfiltern Wasserstoffs (H-a, 656nm), Sauerstoff (OIII, 501nm), Schwefel (SII, 672nm) usw. zeigt sich die Verteilung von Gas passend zur Wellenlänge bei hohem Kontrast.
Ihr kennt sicher die bunten Bilder mit hohem Kontrast und extrem feinem Detail.
Dabei muss man sich klar machen, dass sowohl H-a wie auch SII für das menschliche Auge tiefrot erscheinen und aufgrund der geringen Empfindlichkeit unserer Augen bei visueller Beobachtung praktisch nicht sichtbar sind.

Wenn nun für Falschfarben dem Ha-Kanal die Farbe „grün“ zugeordnet wird, so entstehen spektakuläre Bildern, die jedoch mit unserem gewohnten Farbeindruck nichts zu tun haben. Deswegen treffend auch "Falschfarbenbilder" genannt.

Bei dem hier gezeigten Bild handelt es sich um ein reines RGB Bild. Es werden also die Farben so zugeordnet, wie es dem menschlichen Auge entspricht?
Na Ja, es ist ein Pretty Picture und hier werden die Farben so entwickelt, wie es dem persönlichen Geschmack entspricht. Dabei sollte aber für meinen Anspruch die Physik nicht ganz außer Acht gelassen werden, wobei sich mir die Farbenlehre nicht ausreichend erschließt um sichere Aussagen treffen zu können. Was offenbar gut funktioniert, ist die Kalibrierung der Sterne. Die Beziehung von Temperatur und Farbe ist gut hinterlegt und das Programm macht hier eine gute Arbeit. Auch der Hintergrund wird berücksichtigt, so dass hier schon mal eine gute Basis für reale Farben geschaffen ist. Von der Farbe des Sternes Sadr der Klasse F8 würde ich hier mal absehen, da Er völlig ausgebrannt ist und keine Farbdarstellung möglich ist. Es sollte warm weiß leuchten und hat hier eher einen blaue Note in der Umgebung. Die Ursache der blauen und roten (kreisförmigen) Reflexe um Sadr erkläre ich mir mit den wellenlängenabhängigen Reflexen der optischen Gläser, von denen sich vier Stück mit folglich acht Glas/Luftflächen im Reducer finden.


Was farblich ebenfalls gut nachvollziehbar ist, sind blaue Reflexionsnebel. Ein kleiner blauer Reflektionsnebel findet sich in der Mitte des Bildes im Dunkelnebel. Er reflektiert nur das Sternlicht eines blauen Sternes und die Farbe sollte passen.

Das große Fragezeichen sind die Emissionsnebel, die insbesondere in den Wellenlängen [OIII]-Linien (496 und 501 nm, zweifach ionisierter Sauerstoff), die Hα-Linie (656 nm), und eine Linie des einfach ionisierten Schwefels bei 672 nm, Licht emittieren.
Dazu sei angemerkt, dass
H-alpha leuchtet bei 656 nm = tief rot, H-Beta hat 486 nm = blaugrün = türkisfarben, OIII hat 496+501 nm = blaugrün =türkisfarben.

Demnach sollten sich diese Farben und die Mischfarben daraus auf dem Farbbild wiederfinden, wenn es physikalisch richtig sein soll.
Dummerweise lässt sich die Farbe grün-blau im RGB-Farbraum nicht richtig darstellen.
Eine gute Erklärung findet Ihr in diesem Artikel: https://castronomie.de/astrofotografie/f...otografie/

Hinzu kommt, dass durch Gradienten, Vignettierung und der Bedienung des Bildbearbeitungsprogramms auch Farbeinträge ins Bild kommen, die nicht vom Kosmos stammen.

Deswegen ist die Farbdarstellung des Bildes eher eine Annäherung ohne den Anspruch auf Richtigkeit, sofern es diesen Anspruch überhaupt geben kann.

Besten Gruß
Ralf
Folgenden 13 Usern gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (28.08.2023), Astrokarsten (28.08.2023), August (28.08.2023), Christoph (28.08.2023), Florian B. (27.08.2023), Georg (04.09.2023), heiko (28.08.2023), Joachim (27.08.2023), joko (30.08.2023), Jozie (27.08.2023), Philipp (28.08.2023), Ulf (28.08.2023), Uwe (30.08.2023)
Zitieren
Folgenden 13 Usern gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (28.08.2023), Astrokarsten (28.08.2023), August (28.08.2023), Christoph (28.08.2023), Florian B. (27.08.2023), Georg (04.09.2023), heiko (28.08.2023), Joachim (27.08.2023), joko (30.08.2023), Jozie (27.08.2023), Philipp (28.08.2023), Ulf (28.08.2023), Uwe (30.08.2023)
#2
Ein tolles Bild Ralf!  Daumen hoch

Ich durfte ja schon ein wenig mein Feedback bei der Bildbearbeitung hinterlassen und auch schon selbst Hand an die Daten legen und finde es wirklich toll, was man alles an Details entdecken kann. Meine Bearbeitung in Pixinsight war viel farbiger um sämtliche Details sichtbar zu machen vor allem in den unterschiedlichen Rottönen, hatte aber große Probleme mit dem blauen Anteil.
Die Kalibrierung der Sterne mit der Spectrophotometric color calibration in Pixinsight, welche mit den Daten der Gaiasonde arbeitet, hat die gute Kalibrierung der Sterne in APP von Ralf bestätigt.
Meine Bearbeitung war aber weit weg von "natürlich", das Ergebnis von Ralf finde ich ansprechender!

Es stellt sich natürlich immer die Fragen, wie weit man in der Bearbeitung geht. Wie "realistisch" man etwas darstellen möchte oder ob man eben etwas mehr Details rauskitzelt. Wink 

Dazu lasse ich auch gleich mal einen Link zum neuesten Video von Frank Sackenheim da, das sich genau mit diesem Thema beschäftigt.

Viele Grüße,
Marco

Astrobin
Folgenden 4 Usern gefällt Abiroth's Beitrag:
Florian B. (28.08.2023), Georg (04.09.2023), heiko (28.08.2023), Ralf (29.08.2023)
Zitieren
Folgenden 4 Usern gefällt Abiroth's Beitrag:
Florian B. (28.08.2023), Georg (04.09.2023), heiko (28.08.2023), Ralf (29.08.2023)
#3
Hallo Ralf,
was für ein cooles Bild! Daumen hoch Daumen hoch Daumen hoch 

Super Verarbeitung von den Farben, den Sternen, der Schärfe und insofern absolut ausgewogen!

Geschmunzelt habe ich bei "Kein Autoguiding, keine Flatbilder"
Sic! auch keine Darks? oder Bias?

Die neuen CMOS-Sensoren sind echt was für Faulenzer! 
Hinzu kommt noch Dein ausgereiftes optisches System:
Teleskop Astro-Optik-Manufaktur FLT 135 + Astrophysics Quad Reducer 0,72x bei 778mm Brennweite

Entspannter geht es wohl kaum... Cool
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
Folgenden 1 User gefällt Christoph's Beitrag:
Ralf (29.08.2023)
Zitieren
Folgenden 1 User gefällt Christoph's Beitrag:
Ralf (29.08.2023)
#4
Schönen Dank für Eure Rückmeldungen und den weiterführenden Informationen!

@Christoph
Da hätte ich wohl besser beschrieben, was ich gemacht habe, statt umgekehrt! Confused
Ja, Darks und Bias wurden verwendet.
Mir schien es eben erwähnenswert keine Flats eingebaut zu haben, was der "reinen" Lehre entspricht. Jedenfalls haben die gemachten Flats dem Bild geschadet und wurden nicht verwendet.
In der Bearbeitung mit APP wird  Vignettierung und Lichtverschmutzung ausgeglichen. Da auf dem Bild nur sehr wenig dunkle Stellen zu finden sind, wirkt sich jeder Mausklick aus. Es entstehen dann deutlich andere Hintergrundfarben und Verteilung derselben. Da kann ich mir nicht sicher sein, dass die Durchführung zu 100% richtig gemacht wurde und das Ergebnis ist nicht so belastbar, als mit guter Flatkorrektur.

Die neuen CMOS Sensoren liefern auch tiefere Bilder in einem breiten Spektrum , woraus sich dann wieder neue Einblicke und Fragen ergeben.

@Marco
Danke für Deine Mühen beim Umgang mit den Daten.
Es ging ja um die Fragestellung, wie sehr unterscheiden sich die Ergebnisse der gleichen Daten, wenn APP mit Pixinsight verglichen wird. Sicherlich trägt auch stark die Handschrift des Bearbeiters dazu bei und nicht nur die Programme.
Das Sternreduzierer Tool in Pixinsight ist schon ein mächtiges Werkzeug während die Dunkelnebel nicht so stark vom KI Tool profitiert haben, was wohl auch am Undersampling von 1,6" / Pixel gelegen hat.

Danke für den Link zum Video, dass ich schon vorher gesehen hatte. Ein guter Einstieg in das Thema Farbe, dass wir auch diskutiert hatten. Die Farbe "Grün" im Bild ist hier gewissermaßen nicht willkommen und was ist davon Eintrag im Bild durch Gradienten, Bearbeitungsfehler usw.

Die Sternfarben sind im Bild  händisch in Richtung gelb verschoben worden. Das Blau in APP ist in der Regel immer Cyanfarben. Hier nehme ich selektiv dem Blau den Cyananteil weg um die gewünschte Farbe zu erhalten. Das Programm liefert eine Grundlage und danach wurden nach Gutdünken die Farben bearbeitet mit trotzdem guter Deckung der soliden Farbgebung nach den Gajadaten Deiner Methode.

Bei dem Grün wurden wir uns nicht einig und bei allen Zweifeln war es doch so, dass der Grünton in Bildteilen blieb, egal wie ich die Sternfarben an den Reglern beeinflusst habe. Jetzt habe ich einfach mal angenommen, dass dieses Grün realer Bildinhalt sein könnte und habe Profis angeschrieben um mehr zu erfahren. Die Antwort kam auch schon, ist aber bei IC 1318 komplexer als angenommen. Ich warte auf das Einverständnis um die Antwort hier einstellen zu können. Vorneweg, das Grün darf da schon sein. Exclamation

Besten Gruß
Ralf
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023)
Zitieren
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023)
#5
Zunächst meine Fragestellung, die ich an PD Dr. Dominik Elsässer geschrieben hatte:

Hallo Dominik,

ich schreibe Dir mit der Bitte um Antwort auf nachfolgende Fragestellung
oder ggf.  Weiterleitung an eine Person, wo der Themenbereich Interesse
und Antwort finden könnte.

Seit einem Jahr habe ich eine hochempfindliche CMOS Farbkamera und bin
erst die Tage dazu gekommen, eine längere Belichtung durchführen zu
können. Die nachfolgende Bearbeitung und die intensive Betrachtung
haben mich zu einer Frage geführt, an der ich im Verständnis nicht
weiterkomme.


Das große Bild als pretty picture vorneweg. Bei der Bearbeitung hat ein
Grünstich gestört, da diese Farbe sagen wir "nicht willkommen" ist.
Durch Tonwertkorrektur ist die Gesamtfarbe ins Rote verschoben worden.

Beim Bild "high" in geringerer Auflösung hat man mehr Überblick und
zeigt die Farben wie Sie nach der Kalibrierung  der Sternfarben per
Programm APP erscheinen. Der Grünton ist hier eben vorhanden, ob
erwünscht oder nicht.

   
Beim Betrachten in geringerer Auflösung konnte ich einen räumlichen
Eindruck der Nebelstrukturen gewinnen, während in der vollen Auflösung
der "Wald vor lauter Bäume" nicht gesehen wird.
   
Es stellt sich der Eindruck räumlich so dar, dass dunklere
Materiewolken vor den hellen H-alpha Gebieten diese Regionen abdunklen.
Bei Regionen ohne H-alpha Gebieten, also vor dem dunklen
Himmelshintergrund leuchten diese Wolken grün bis blau. Ganz grob habe
ich mit gelbem Stift die Verteilung ins letzte Bild gemalt. Nur die
Bildmitte scheint einen klaren Blick auf die H-alpha Region zu bieten.

Ich schließe daraus, dass diese Materie räumlich  vor den hellen
H-alpha Wolken verortet ist.
Für Staub spricht auch der linke obere Bildteil, wo gut sichtbar
säulenartige Dunkelwolken durch dieses Gebiet ziehen.

Da die Wolken jedoch leuchten, muss auch Gas beteiligt sein.
Möglicherweise H-beta oder O-III?

Ist die räumliche Lage dieser Wolken vor oder über den H-alpha
Gebieten wirklich so, wie es wirkt?

Oder sind die Wolken Bestandteil des Komplexes, nur eben noch nicht
durch Sternenlicht zum Leuchten angeregt?

Ich hoffe Dir geht es gut und dass Du die Amateurastronomen weiterhin
betreuen kannst!

Lieben Gruß aus Lindelbach/Unterfranken

Ralf
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023)
Zitieren
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023)
#6
Hier die Antwort von Dr. Carolin Liefke mit freundlichem Einverständnis:

Hallo Ralf,

Dominik hatte mir deine Anfrage weitergeleitet, ich versuche mal ein wenig Licht ins sprichwörtliche Dunkel zu bringen, denn... die Sache ist komplizierter 😄

Ich muß ja zugeben, ich bin kein Astrofotograf und erst recht kein Profi in Sachen Bildbearbeitung - und über Geschmack läßt sich bekannlich streiten. Für mich persönlich beispielsweise wären Grüntöne in einem Bild wie diesem jetzt kein Schönheitsfehler. Und ja, die gehören da auch hin, die Frage ist natürlich in welchem Maße.

Nehmen wir zunächst einmal den Wasserstoff. Das ist ja in Wirklichkeit eben nicht nur H alpha, sondern eben auch das türkisblaue H beta, das violette H gamma, H delta und so weiter. Das eine ohne das andere geht nicht, du bekommst zu H alpha immer auch die blauen Linien automatisch mitgeliefert. (Deshalb heißt das übrigens in Wirklichkeit nicht "H-alpha-Gebiet", der korrekte Begriff lautet "H-II-Region" - H-römisch-zwei - und bezieht sich auf alle Spektrallinien, die entstehen, wenn ionisierter Wasserstoff sein verlorengegangenes Elektron wieder einfängt und danach in den Grundzustsnd zurückkehrt.) Das Resultat ist, daß leuchtendes Wasserstoffgas als Mischfarbe pink aussieht, so wie man es zum Beispiel von Bildern vom Orionnebel auch kennt.

Die Himmelsregion um Sadr sieht aber auf Bildern nicht pink aus, sondern eher H-alpha-rot. Den Grund dafür hast du im Prinzip schon ausfindig gemacht: der Staub - allerdings nicht nur der, der da als dunkle Strukturen klar sichtbar wird, es kommt noch einiges mehr davon obendrauf, was diffus im Raum verteilt ist. Staub bewirkt Extinktion, das bedeutet zum einen eine generelle Abschwächung, zum anderen ist diese Abschwächung aber auch wellenlängenabhängig, da blaues Licht stärker gestreut wird. Dementsprechend kommen die blauen und violetten Wasserstofflinien nicht mehr so gut durch und übrig bleibt im Wesentlichen H alpha.

Soweit so gut, oder genauergesagt das genaue Gegenteil, denn demnach sollte ja erst recht kein Grünstich da sein, denn Grün ist zwar nicht violett, wird aber immernoch stärker gestreut als Rot. Den richtigen Kandidaten hast du aber dennoch in der Hinterhand: O III. Das ist ja zweifach ionisierter Sauerstoff und der ist nicht automatisch überall da, wo auch Wasserstoff ist, obwohl die chemischen Elemente in solchen kosmischen Gas- und Staubwolken einigermaßen gleich verteilt sind. Das liegt an den leicht unterschiedlichen Temperaturen, die du brauchst, um den Wasserstoff zu ionisieren und Sauerstoff zweifach zu ionisieren. (Das macht nicht nur der Überriese Sadr, sondern auch einige deutlich heißere Sterne, die sich ebenfalls in der Region befinden).

Ich hab unter https://www.flickr.com/photos/31986095@N05/5183823288/ mal ein aus Schmalbandaufnahmen zusammengesetztes Farbbild gefunden, daß dir zeigt, wie beides verteilt ist, daran kannst du relativ gut erkennen, daß es Bereiche gibt, in denen O III ganz klar über H alpha dominiert. Das Gesichtsfeld ist deutlich größer und beim mit im Bild liegenden Crescent-Nebel ist der O-III-Anteil ja auch bekannt. In dem Sinne: Das ist dein Grünstich.

Das entscheidende daran ist aber wie schon gesagt, daß du da nicht sowas wie Wolken aus purem Sauerstoff im Vordergrund hast, sondern daß es da einfach nur etwas heißer ist (zum Teil auch abgeschirmt durch die dichteren Staubstrukturen), so daß der Sauerstoff besser auf die Strahlung der heißen, leuchtkräftigen Sterne anspricht als der Wasserstoff, der im selben Volumen ebenfalls vorhanden ist.

Obendrauf kommt bei der Frage nach der "richtigen" Farbgebung noch ein zweiter Aspekt, und das ist die Frage, wie gut die Farbkalibration anhand der Sternfarben auf die interstellare Rötung korrigiert wurde. in einer H-II-Region wie dem Nebel um Sadr ist die Rötung stark variabel - wenn das bei der Ermittlung der Sternfarben nicht sorgfältig miteinbezogen wurde (und häufig werden für die Extinktion sehr grobe Karten verwendet), wird die Farbkalibration dadurch womöglich verfälscht. Inwieweit das hier der Fall sein könnte müßte man mal recherchieren, in der Hinsicht sind Tools wie APP oder Theli, die solche "Echtfarb-Kalibrationen" machen, ja doch eher eine Black Box, bei der man nicht weiß was sie genau macht und ob das in der konkreten Situation nicht doch zu Abweichungen führt.

Viele Grüße
Caro
Folgenden 4 Usern gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023), Andreas Paul (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Groot (11.09.2023)
Zitieren
Folgenden 4 Usern gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023), Andreas Paul (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Groot (11.09.2023)
#7
Hallo Ralf,
super Fragen und eine tolle Korrespondenz dazu! Daumen hoch Daumen hoch Daumen hoch 

Das ist der Grund, weshalb ich selber Aufnahmen mache, auch von schon bekannten Objekten: plötzlich fallen einem Details auf, die mir in vielen anderen Bildern noch nicht aufgefallen waren und mir beim Anblick / Vergleich meiner Bilder ins Auge fallen.
Je mehr man dann in die Tiefe abtaucht, desto interessanter wird es!

Und wenn man dann noch umso kompetentere und nicht besserwisserische Antworten bekommt, wie von Caro, dann macht es umso mehr Spaß! Cool 

Etwas zum "lightpollution-removal"-Tool von APP oder zu Gradienten-Entferner wie GraXpert: ich habe die Erfahrung gemacht (vielleicht habe ich es früher schlichtweg nicht bemerkt), dass sie ganz schon viel Unfug in einem Bild hinein bringen können. Da kann man in die Milchstraße ein schönes Leoparden-Dunkelnebel-Muster reinbringen, das überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben muss. Sieht aber schön aus! Wink Ist aber völlig falsch.

Vorsicht mit jeglichen Filtern! Automatik-Filter sind schön und gut, manchmal auch "richtig". Sie sind aber meist eine "Black Box", von der man nicht weiß, was sie wirklich tun.
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
Folgenden 3 Usern gefällt Christoph's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Ralf (01.09.2023)
Zitieren
Folgenden 3 Usern gefällt Christoph's Beitrag:
Abiroth (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Ralf (01.09.2023)
#8
Hallo Ralf,
ich finde es super, dass Du Dich weiter mit dem Thema Farbe beschäftigst, entsprechende Experten zur Rate ziehst und hier auch zur Diskussion stellst. Grad beim Thema Farbgebung und korrekte Kalibrierung beiße ich mir regelmäßig die Zähne aus. 
Wobei ich mit meinen Schmalbandaufnahmen hier natürlich fein raus bin und als Ausrede immer Anführen kann, dass es durch die SHO oder HOO Kombination eh nie realistische Farben sein können.  Tongue

Ich habe aber mir aber vor kurzem eine Planetenfarbkamera zugelegt, die ich zumindest Testweiße auch wegen der höhreren Auflösung mal dazu nutzen möchte ein paar Sternhaufen zu fotografieren und dann ja wieder „gezwungen“ bin mich mehr mit nativen RGB Aufnahmen zu beschäftigen. Mal schauen, was dann dabei zu Tage treten wird. Big Grin

Aber um nochmal genauer auf das Thema einzugehen. Zuerst einmal finde ich die ganzen Erklärungen von Caro super, da konnte ich wieder viel dazu lernen, grad was die Verteilung innerhalb der HII Region betrifft. War mir so alles nicht bewusst.
Bevor ich jetzt noch etwas weiter aushole wollte ich nur zur Sicherheit nochmal klarstellen, dass es mir bei den Aussagen mit dem Grünstich um deine ersten Bearbeitungsversionen ging, in denen die Farbkalibrierung nicht gepasst hatte.
Ich hoffe es ist OK, wenn ich diese hier einmal unten anhefte.  Smile
Hier sieht man grad unten links, dass die Sterne einen doch schon erheblichen Grünstich hatten. Weil die Verteilung sich sehr auf diesen Bereich fokussierte nahm ich anfangs einen Gradienten dort an, aber nach deiner nochmaligen Kalibrierung in APP war der ja weg. Die anderen Sterne hatten eher keinen Grünstich, weil der Hintergrund das überlagert hat.
Bei deiner Endversion sehe ich das gar nicht als Problem an.  Smile

Zitat:„Ich hab unter https://www.flickr.com/photos/31986095@N05/5183823288/ mal ein aus Schmalbandaufnahmen zusammengesetztes Farbbild gefunden, daß dir zeigt, wie beides verteilt ist, daran kannst du relativ gut erkennen, daß es Bereiche gibt, in denen O III ganz klar über H alpha dominiert. Das Gesichtsfeld ist deutlich größer und beim mit im Bild liegenden Crescent-Nebel ist der O-III-Anteil ja auch bekannt. In dem Sinne: Das ist dein Grünstich.“

Wobei ich das diese Aussage etwas zur Diskussion stellen möchte aber vielleicht habe ich das Ganze auch nur falsch verstanden. Ich glaube Caro wollte mit dem Bild eher andeuten, dass es viel mehr OIII in der Region gibt als man speziell mit einer Farbkamera ohne Schmalband aufnehmen könnte.
Das Bild ist ja wie mein kürzlich hier gezeigtes Bild vom Crescent Nebel ein HOO Foto. Da es als synthetic RGB bezeichnet wird gehe ich mal von aus, dass man evtl. vor 13 Jahren HOO noch nicht so bezeichnet hat? Das heißt der „Grünstich“ wie Caro das beschreibt, gibt auf keinen Fall die korrekte Farbe wieder, da OIII ja in den blau und grün Kanal gemischt wurde. Ansonsten ist bei mir nur der Unterschied, dass ich die Sterne immer durch 15 min RGB Sterne ersetzte, da mir die Sternfarben in SHO und HOO nicht gefallen.

Zitat:„Obendrauf kommt bei der Frage nach der "richtigen" Farbgebung noch ein zweiter Aspekt, und das ist die Frage, wie gut die Farbkalibration anhand der Sternfarben auf die interstellare Rötung korrigiert wurde. in einer H-II-Region wie dem Nebel um Sadr ist die Rötung stark variabel - wenn das bei der Ermittlung der Sternfarben nicht sorgfältig mit einbezogen wurde (und häufig werden für die Extinktion sehr grobe Karten verwendet), wird die Farbkalibration dadurch womöglich verfälscht. Inwieweit das hier der Fall sein könnte müsste man mal recherchieren, in der Hinsicht sind Tools wie APP oder Theli, die solche "Echtfarb-Kalibrationen" machen, ja doch eher eine Black Box, bei der man nicht weiß was sie genau macht und ob das in der konkreten Situation nicht doch zu Abweichungen führt.“

Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Pixinsight hat ja erst vor einiger Zeit ergänzend zu PhotometricColorCalibration die SpectrophotometricColorCalibration eingeführt, welche diesen Vorgang wohl recht exakt durchführt durch die Gigabytegroßen Datenbanken der Gaiasonde die man dafür extra herunterlädt. Als ich am Anfang mal beide gegeneinander getestet hatte sind mir aber kaum Unterschiede aufgefallen, was dafür spricht, dass die alte Methode schon sehr gut war.
Jetzt kommt aber dazu, dass man zusätzlich noch eine BackgroundNeutralisation durchführen kann und das dann noch ergänzend mit selbst festgelegten Bereichen. Bei deinem Bild hatte ich das mal mit und einmal ohne probiert und es kamen komplett unterschiedliche Farben dabei heraus. Ich glaube aber, dass es bei deinem Bild mit keinem neutralen Hintergrund einfach besser ist die BN wegzulassen aber man merkt wie schnell man hier Fehler machen kann. Und mit dem Deepfield Galaxien Bild von Hubble im Hinterkopf man sich auch die Frage stellen muss, ob man wirklich überhaupt irgendwo einen perfekt neutralen Hintergrund finden kann.  Wink

Meine Monoaufnahmen für RGB passe ich mittlerweile vor der Kalibration mit Linearfit aufeinander an, heißt ich neutralisiere die einzelnen Kanäle auf den mit dem „dunkelsten“ Hintergrund, da die Einzelaufnahmen der Kanäle ja nie perfekt gleich sind, je nach Uhrzeit der Aufnahme oder manchmal fliegt ja auch ein Bild raus usw. Aber das ist halt auch schon wieder ein Faktor der mit reinspielt. Das Bild ist danach schön neutral aber ob das so 100% korrekt ist kann ich auch nicht genau sagen.
Aber zumindest in der folgenden Aufnahme vom westlichen Cyrrus, die ich auch schon Ralf gezeigt habe, find ich das Ergebnis und Sternfarben recht stimmig. (Nur 15min belichtet, daher Cyrrus nur sehr schwach!) https://photos.app.goo.gl/r37vTr1F88vNtVxn8

Ich finde recht schön den zumindest Annäherungsweise „korrekt grünen Farbton“ im OIII Kanal für dieses Objekt. Zumindest behaupte ich das mal mit sämtlichen oben erwähnten Einschränkungen! Bei der Bearbeitung in der ich dann noch die SW Aufnahmen der Schmalbandfilter hinzufüge werde ich dann also versuchen diesen Farbton für OIII zu erreichen. 100% wird das natürlich nicht klappen aber ich habe hier zumindest einen Anhaltspunkt. Oftmals finde ich andere Aufnahmen des Cirrus im Internet zu blau dargestellt.

Soviel mal meine Gedanken und Erfahrungen dazu. Ist jetzt recht ausführlich geworden aber man sieht, wie schnell man hier daneben liegt. Den perfekten Workflow suche ich auch noch und werde ich womöglich immer suchen, es soll einem ja nicht langweilig dabei werden! Big Grin Wenn es wie bei Ralfs Bild keinen neutralen Hintergrund gibt wird es schon schwierig, auch was Gradienten anbelangt, die kann man dann gar nicht mehr exakt definieren.

Zum Abschluss finde es aber immer toll, wenn solch schönen Aufnahmen dazu führen, einmal mehr darüber zu diskutieren, um Fragen zu klären und jedes mal auch wieder Vieles neu dazu zu lernen.
Ich hoffe deine neue Kamera kommt bald öfter zum Einsatz!


Angehängte Dateien Thumbnail(s)
   
Viele Grüße,
Marco

Astrobin
Folgenden 3 Usern gefällt Abiroth's Beitrag:
Christoph (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Ralf (30.08.2023)
Zitieren
Folgenden 3 Usern gefällt Abiroth's Beitrag:
Christoph (30.08.2023), Florian B. (03.09.2023), Ralf (30.08.2023)
#9
Ergänzend dazu, wer sich mal in das Thema SPCC einarbeiten möchte, hier die Dokumentation von Pixinsight. 
Vieles davon geht über meinen Erkenntnishorizont hinaus. Aber es ist trotzdem recht interessant wie ich finde und das wir überhaupt die Möglichkeit haben mit den Gaia Daten im privaten Umfeld zu arbeiten finde ich ganz spannend.

https://pixinsight.com/doc/docs/SPCC/SPCC.html
Viele Grüße,
Marco

Astrobin
Zitieren
#10
Hallo Ralf,

zunächst vielen Dank für das Zeigen des hervorragenden Bildes. Man sieht wunderbar die Qualität deines optischen Systems. Die Details hauen mich um. Der angesprochene kleine PN ist super aufgelöst mit herrlichen Details. 

Die Farbgebung ist prima in meinen Augen. Gerade bei den H-II Regionen im Schwan wird oft in die amerikanische Farb-Palette gegriffen. Deine Darstellung ist sehr dezent und auch farblich gut kalibriert wie ich finde. Ich habe letztes Jahr in meinem Mosaik ähnliche Überlegungen angestellt und auch mit Peter Riepe geschrieben. Die Ausführungen von Caro sind klasse und erklären wirklich gut die Zusammenhänge. 

Der Beitrag von mir

Mein Mosaik
Klaren Himmel und klaren Kopf wünscht Karsten
Zitieren
#11
Hallo Christoph, Marco und Karsten

Danke für Eure Klarstellungen, Ergänzungen, Hinweise zur Beareitung usw.

Aufgrund der zusammengetragenen Erfahrungen und Informationen sowohl zur Bildbearbeitung als auch zur Astrophysik der Farben ist dieser Thread
eine wertvolle Quelle für Interessierte geworden. Vielen Dank für Eure Beiträge!

@Karsten.
Meinst Du mit " Der angesprochene kleine PN "  den blauen Reflexionsnebel?

Besten Gruß
Ralf
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (04.09.2023)
Zitieren
Folgenden 1 User gefällt Ralf's Beitrag:
Abiroth (04.09.2023)
#12
Hallo Ralf,

ja sorry, natürlich den Reflexionsnebel - ist ja kein PN. 

Der Beitrag ist in der Tat sehr interessant und wichtig. Danke auch für deine Mühe!
Klaren Himmel und klaren Kopf wünscht Karsten
Folgenden 1 User gefällt Astrokarsten's Beitrag:
Ralf (04.09.2023)
Zitieren
Folgenden 1 User gefällt Astrokarsten's Beitrag:
Ralf (04.09.2023)




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste