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Zwei Gurken auf dem Weg zum Himmel
#1
Zwei Gurken auf dem Weg zum Himmel

Nachdem die Tests auf der optischen Bank dreier Schmidt-Cassegrains niederschmetternde Ergebnisse brachten, entbrannte im weißen Forum eine heftige Diskussion zwischen Optikprüfern aus der Szene sowie einigen, an den Geräten unbeteiligter Forenmitgliedern. Da wurde Strehl, Polystrehl und Gott weiß was noch alles ziemlich wirr und emotionsgeladen diskutiert, manchmal voreingenommen, manchmal auch recht unsachlich und giftig.

Die Besitzer der Teleskope hielten sich da heraus.

Nun entschlossen wir uns, diese Optiken einmal unter den Bedingungen zu testen, für die sie gebaut wurden, nämlich der visuellen Beobachtung am Himmel. - Nach einigen Wochen schlechten Wetters war es gestern Abend soweit. Der Himmel war offen, kein Wölkchen am Himmel, die Transparenz war brauchbar, trotz etwas diesigen Bedingungen.
Leider war die (von Frank) bestellte Kason-Montierung eines der Teilnehmer immer noch nicht angekommen, sodaß wir dieses Gerät leider nicht testen konnten. – Auch so eine Sache, da wird eine Montierung beworben, die es in Deutschland offensichtlich noch nicht gibt und die wohl selbst der Vertreiber noch nie gesehen hat. – Dies aber nur am Rande.

Die Daten der beiden verbleibenden Geräte verhießen nichts gutes. Das Meade 10“ ACF von Uwe S. brachte einen gemessenen Strehl von 0.8, das zu vergleichende Celestron C11 einen Strehl von sage und schreibe 0.6 mit in den Ring.

Aufgebaut wurde nebeneinander auf unserer Terrasse. Als Vergleichsgeräte standen ein Takahashi FS-102 sowie ein AOM Dobson in 14“ f:5 daneben.

Erstes Objekt war Orion, der bereits im Südwesten steht und von unserer Terrasse gerade noch gesehen werden kann.

Takahashi FS-102: das Trapez klar definiert, alle sechs Komponenten eindeutig sichtbar.
AOM-14“: ebenso klar zu sehen, die Sterne nicht so nadelpunkt fein, aber klein und kaum auslaufend, sodaß die E Komponente sehr deutlich getrennt sichtbar war. Die F-Komponente spitzte schwach, aber sichtbar hervor.

Nun das Meade 10“ ACF: auch hier alle Komponenten getrennt, die Sterne laufen aber etwas aus, normal bei einem SC. Die E Komponente als eine Acht sichtbar, die F-Komponente als länglich bezeichenbar, nicht punktförmig, also kann man von einer ansatzweisen Trennung durchaus sprechen.

Das Celestron C-11: 4 Komponenten als verwaschene, nicht klar definierbare Sterne gesehen, ausgefranzt, unscharf. Vier Personen versuchten, diese Komponenten scharf einzustellen, keinem von uns gelang dies. Auch ein Wechsel der Vergrößerung und der Einsatz unterschiedlichster Okulare vom 20mm Nagler bis zum 21mm Ethos oder 13mm Ethos brachten keinerlei Verbesserung. An eine Trennung der 5.und 6. Komponente war nicht zu denken.

Das folgende Objekt sollte etwas einfacher sein und dazu noch recht deutlich. Also versuchten wir uns am Doppelstern Castor.

Zuerst wieder die beiden Referenzgeräte, die genau das zeigten, was man von ihnen erwartet: in beiden Geräten war ein breiter, pechschwarzer Spalt zu erkennen, durch den man gut ein oder zwei Streichhölzer hätte „durchschieben“ können.

Auch das Meade 10“ ACF trennte beide Komponenten einwandfrei mit Zwischenraum, ebenfalls schwarz in der Lücke. Nur die Sterne waren, wie nicht anders zu erwarten, etwas flächiger, nicht ganz so klar definiert. Man kann die Abbildung immer noch als sehr gut bis gut bezeichnen, der schwache Strehlwert machte sich hier überhaupt nicht bemerkbar.

Das Celestron C-11 hingegen zeigte an Castor nur zwei verwaschene, undefinierbare weiße, fast zusammenlaufende Sterne ohne Zwischenraum als schwache Acht, die Helligkeit und Unschärfe verhinderte ein eindeutiges Trennen der beiden Komponenten.

Noch einmal wollten wir es wissen, wollten intra und extrafokale Sternabbildung miteinander vergleichen. Dazu bedienten wir uns Procion in Canis minor, der sehr günstig stand und weder zu hell noch zu schwach ist.

Tak und Ulugh Beg zeigten lehrbuchmäßige Beugungsscheibchen, also war der Himmel, auch wenn es zwischenzeitlich noch etwas diesiger geworden war, eine gute Durchsicht.

Das Meade 10“ ACF brachte sehr schöne Beugungsscheibchen, etwas dicker als die im Ulugh Beg, aber klar definiert und gleich bei extra sowie intrafocal.

Das Celestron C-11 bewies sich auch hier wahrhaft als „Gurke“. Extrafokal und Intrafokal drifteten weit auseinander, das äußerste Beugungsscheibchen war wie zerrissen und franzte einmal nach oben hin, einmal nach unten hin, völlig aus. – Unbrauchbar in den Augen aller beteiligten.

Da wir es ansich nicht wahrhaben wollten, untersuchten wir nun fast nur noch das C-11 auf irgendwelche Fehler, die außerhalb der Optik zu suchen sein könnten.
Auffällig war, daß der Fokus des Celestron sehr leichtgängig und weich war. Kein Überwinden irgendwelcher mechanischen Hemmnisse beim Scharfstellen. Nur: „Butterweich“ wie bei einem Fethertouch-Auszug war das nicht, eher gefühllos und „nichtssagend“, - wohl mit ein Grund dafür, daß niemand von uns den richtigen Focus fand, sollte da überhaupt einer vorhanden sein. Coma bereits einige Millimeter von der Mitte entfernt, gesehen in allen Okularen, die mit zum besten gehören, was der Markt derzeit bietet, zeigte uns ganz deutlich, daß dieses Gerät absolut unbrauchbar ist. Zu bemerken sei noch, daß dieses Gerät, wie auch das andere, von Wolfgang Rohr getestet und dabei nach seinen Aussagen nach selbstverständlich kollimiert wurde! Daran konnte es nun ja nicht mehr liegen.

Mein Fazit =
(die anderen Mitbeobachter mögen, jeder für sich, ihre eigene Meinung wiedergeben):

Das Meade 10“ ACF ist ein sehr gutes Schmidt-Cassegrain, das am Himmel das zeigt, was man von ihm erwarten kann. Klare Definition der Sternfarben, klare und deutliche Trennung von Doppelsternen und eine einwandfrei funktionierende Mechanik, was die Bewegung des HS anbelangt. Ich habe generell mit dem Hauptspiegel fokusiert, da dieses Gerät mit einem Fethertouch-Auszug ausgestattet ist. Ich wollte diesem Gerät durch dessen Nutzung keinen Vorteil verschaffen.

Das Celestron C-11 auf seiner Gabelmontierung kann man leider nur als einen Glasscherben bezeichnen. Das dürfte ein Teleskop sein, das man bei einer firmeninternen Prüfung hätte ausmustern müssen. Es ist in keinem einzigen Belang gut, die Fokusierung ist ein Graus und nur vom Zufall abhängig, die Spiegel mit Sicherheit verschliffen, das Gerät nicht einmal bei 100-fachen Vergrößerung scharf, sondern undefiniert verwaschen und flau. Ein solches Exemplar, das sicherlich nicht typisch für Celestron ist, muß ins Wohnzimmer und kann bestenfalls noch als Blumenständer dienen. – Ein recht teurer Blumenständer allerdings... - Am Nachthimmel hat es nichts verloren. Bemerken, wenn auch nicht zum Test gehörend, möchte ich noch, daß die Gabelmontierung diesem Gerät in seiner Qualität in nichts nachsteht. Sie ist extrem windanfällig, Sterne tanzen bei leichtestem Wind über ¾ des Bildausschnittes im 13mm Ethos. Das andere Gerät (Meade) war auf einer Vixen Sphinx_D montiert und stand absolut stabil. Selbst mein Wackeldackel Meade 12“ SC Classic verhielt sich trotz großer Polhöhenwiege hier erheblich besser.

Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß hier keiner der beiden Hersteller explizit gelobt oder niedergemacht werden sollte. Dieser rein visuelle Test am Stern unter normalen Amateurbedingungen ist das Ergebnis längerer Diskussionen unter verschiedenen Hobbyastronomen. Und da beide Geräte räumlich sehr nahe situiert sind, bot sich ein direkter Vergleich bei uns „auf neutralem Boden“ an.

Da Celestron von Baader Planetarium in Deutschland vertrieben wird, kann ich diesem Anbieter nur anraten, seine Geräte vor Auslieferung besser zu überprüfen. Solche Geräte dürften nicht in den Verkaufsraum kommen. Hinzufügen muß ich allerdings, daß dieses Gerät gebraucht erworben wurde, was den Importeur, da es sich um ein reguläres und nicht um einen Grauimport handelt, nicht von seiner Verantwortung dem Kunden gegenüber enthebt. Vielleicht wurde dieses Gerät gerade deswegen als nahezu neuwertig wohl sofort wieder weiterverkauft in der Hoffnung, daß es niemand merkt.

Winfried Berberich
Wenn filmen so einfach wäre, dann hieße es "RTL"
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Zwei Gurken auf dem Weg zum Himmel - von Winfried Berberich - 02.03.2011, 10:59



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