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TAL 250K - Kompendium
"Weißt du wieviel Sternlein stehen ...“
Die letzte Hürde war dann die Kollimation des HS am Stern. Jetzt kam es darauf an: Sekt oder Selters ...
Denn, ob die Justage der Korrektoreinheit „absolut exakt“ ist, nur „exakt“ ist oder vielleicht auch nur „genau“ bemerkt man visuell ehrlicherweise auf dem Niveau nicht. Das Bild bleibt halt einen Hauch unschärfer, oder die Waveletfilter bei den Summenbildern der Planeten müssen einen Ticken aggressiver und größer ausfallen. Aber man hat ja nie den Vergleich zwischen „so könnte es sein“ und „so ist es jetzt“.

Das alles kann und wird man, auch um des eigenen Seelenfriedens Willen, auf das Seeing, den nicht ausgekühlten HS, die Dächer, die Straße, den Jetstream, die eigenen Augen, die Anstrengung der Augen, die Nackenmuskulatur und was weiß ich noch alles (vorher nicht gegessene Blaubeeren sind auch immer eine Überlegung wert) schieben ... Aber: Ob die neuen Kollimationsschrauben funktionieren und ob der HS in Position bleibt, würde sich sofort, klar und eindeutig zeigen, indem der Korrektorschatten im defokussierten Sternscheibchen zentrisch ist oder eben nicht.

Um es (auch hier) vorwegzunehmen: Es war eher Sekt, was mir mein TAL-250K servierte, wenn man die nächsten Tage mit dazu nimmt, dann gerne auch Crémant ... Von Champagner wage ich nicht zu schreiben, dass sollte Ralfs AOM Teleskopen vorbehalten bleiben.

Wie es der Zufall wollte, fiel die erste Kollimationrunde (insgesamt habe ich drei gebraucht) auf den Tag der Sommersonnenwende. Wenn das kein Zeichen ist ... bedeutsamer Tag jedenfalls.
Ich startete mit dem "Wächter des Himmels" (ḥāris as-samāʾ / Arktur), der von meinem Balkonplatz, wie alles in der westlichen Hälfte des Himmels gut zu sehen war. In der Summe lief alles ziemlich rund, ich mache das ja nicht zum ersten Mal. Nur die Bedingungen selbst waren sehr mäßig. Das 3,8 mm Eudiaskopic Okular (idealerweise macht man die Kollimation ja bei gewaltiger Übervergrößerung) fand keine Verwendung und das defokussierte Sternscheibchen machte seinen Namen alle Ehre: faserige Scheibe mit Loch, sonst nix: Keine einzelnen hell-dunklen Ringe in der Scheibe, ein völlig irre herumtanzendes Gummiband (wenn man näher an den Fokus kam), das sich von einer horizontalen Ellipse in 10tel Sekunden zu einer vertikalen Ellipse wandelte, dann wieder zurück um zwischendurch wie Gischt an einem Felsen zu zerstäuben, um sich dann aufs Neue zu formieren und wieder tanzend wie ein Derwisch den Windgeistern zu huldigen.
 
Aber Arktur war wenigstens schön hell, so dass er auch gut durch einige Zirren hindurch kam, die hin und wieder sogar mehr Ruhe brachten, so dass ich das (meinem Eindruck nach) das recht passabel hinbekam. Aber - den Einflüsterungen (siehe vorher) sei Undank - natürlich nicht so, dass ich mir selber sagen konnte: Passt!

Und so kam es wie es kommen musste: Nach einem Schwenk auf Mizar (der Himmelswächter hatte sein Reich mittlerweile an ein heranziehendes Wolkenband verloren) und dem Versuch noch einen „Hauch“ an den Schrauben nachzustellen, war der Korrektorschatten wieder außermittig und es kamen Wolken. Ärgerlich ...

                 
Man kann es drehen und wenden wie man will, es passt nicht ganz. Der gelbe Pfeil zeigt so grob die Richtung des Versatzes an.

Zwei Tage später sollte sich dann, bei etwas besseren Bedingungen, die nächste Gelegenheit ergeben. Ich wechselte in dieser Nacht gleich zu Pherkad, also Gamma Ursae Minoris (Richtung Arktur war ganz mieses lokales Seeing - wahrscheinlich von der Teerfläche der Bundesstraße und diversen Metalldächern in dieser Richtung). Schritt für Schritt arbeitete ich mich an einen Zustand heran, den man (unter diesen Bedingungen) als Optimum beschreiben könnte. Schrittweise änderte ich die Vergrößerungen und damit das Aussehen der Sternscheibchen: von klein und scharf begrenzt, zu weichgezeichnet groß und wieder retour, ging in den Fokus (was sinnfrei war, da der Stern bei Übervergrößerung viel zu matschig aussah, orientierte mich knapp außerhalb des Fokus an der Lichtverteilung und den Helligkeitsausbrüchen im Ringelchen um den Korrektorschatten und übte mich darin die Kollimationsschrauben des HS schrittweise im langsamen Reigen (also eher wie in einer Sarabande) immer fester zu ziehen (das waren immer so 5-10 Grad Drehungen mit dem Gabelschlüssel). Mal die eine, mal die andere, dann wieder gegenüber, dann die benachbarten Schrauben und dann wieder ganz anders und neu ...
 
   
Der Gabelschlüssel passte völlig problemlos zwischen OAZ und Schrauben, so dass die Kollimation in der Hinsicht kein Problem war.

Ziel dieses "Tanzes" war es den HS in einer optimalen Position wirklich fest zu bekommen, ohne dass eine der Schrauben die Position des HS verzieht - das ist ein lang andauerndes, ganz sachtes Austarieren, wie bei einem Mobile an das man immer mehr hängt, aber ohne dass es kippt.

Irgendwann hatte ich dann den Punkt erreicht an dem ich konstatierte: Fertig es ist!

           
So sahen die Sternscheibchen abschließend aus. Die Bilder zeigen es jeweils verschieden stark defokussiert.

 „Fertig ist fertig, ist fertig ...
 
Einen weiteren Tag später wollte ich die sich abzeichnenden wolkenlosen Bedingungen noch einmal nutzen. Eigentlich ging es mir vor allem darum zu prüfen, ob der HS in Position geblieben war. Dementsprechend gespannt war ich natürlich, als ich Dubhe (weil schön hoch) ins Blickfeld nahm. Wow - keine Veränderung! Der Korrektorschatten war nach wie vor sehr schön zentrisch und es gab nichts auszusetzen. Trotz der durchwachsenen Bedingungen war die Kollimation erstaunlich gut gelungen, also faktisch gut „gemittelt“. Nachdem heute alles viel ruhiger im Okular stand, nahm ich natürlich die Gelegenheit wahr  (jetzt zum dritten Mal) hier und da noch einen Hauch zu korrigieren, den HS (ohne dass er sich von seiner idealen Position fortbewegt) noch ein Stück fester anzuziehen und das Ganze noch mit verschiedenen Okularen zu prüfen.
 
Zwischendurch genoss ich (ich war der Sternscheibchen - egal ob es der maisgelbe Arktur, der viel zarter, eher wie Elfenbein daherkommende Pherkad oder der kaltweiße Dubhe war - jetzt wirklich überdrüssig) schöne Blicke auf den Kugelsternhaufen M3 und auf M51. Grade der sehr fein und definiert im Okular stehende Kugelsternhaufen beruhigte mich sehr,  zeigte er mir doch, dass ich bei der Überarbeitung des Klevtsov vieles richtig gemacht hatte.
 
Natürlich trug die Erleichtung jetzt am Ziel zu sein, das ihre dazu bei, damit ich diesen Eindruck genießen konnte. Aber auch ohne das ist es einfach ein wunderbares Gefühl zu sehen wie sich das Universum und seine unzähligen Wunder in einem Teleskop spiegeln.

"Hier bin ich wieder, schien mein TAL–250K dem unendlichen Kosmos zuzuflüstern. Kennst Du mich noch ...?"
 
                     
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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TAL 250K - Kompendium - von Ralf - 23.12.2013, 18:36
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 30.06.2019, 19:22
RE: TAL 250K - Kompendium - von Christoph - 30.06.2019, 20:04
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RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 02:29
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:31
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 01.07.2019, 23:32
RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 02.07.2019, 16:14
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RE: TAL 250K - Kompendium - von Andreas-TAL - 08.03.2020, 12:31



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