Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die lange Marsnacht ...
#1
Der Mars in Oppositon, so groß wie nie in den letzten Jahren und immer noch kein Bild? Das durfte doch nicht sein - war aber so und das lag´ halt auch an den Rahmenbedingungen:
Mars extrem tief und deswegen ganz schlecht zu erwischen, pünktlich zur Opposition ein Staubsturm auf dem Mars, der nur eine orange Scheibe hinterließ, spät einbrechende Dunkelheit und dann auch noch die Dauerhitze, die das bodennahe Seeing hier meist in eine Katastrophe verwandelte. Und wenn´s das nicht war - der innere Schweinehund.

Aber am 5. September sollte dann alles stimmen: Marsfilmnacht ...

Eine passende Location ausgesucht, die den Blick über die Thermik der Städte und die Region des Faserplattenwerks (viel warme Abluft) vermied und los ging es. Die Tage vorher habe ich noch einen klappbaren Campingtisch gekauft, was vernünftiges zum Ablegen habe ich ich schon lange vermisst und irgendwo muss ja auch der Laptop stehen.

Als ich gegen 21:00 ankam war es schon recht dunkel - OK zeitlich etwas verschätzt, dann also im Dunkeln aufbauen. Da ich Filmen wollte nahm ich meinen russischen 7" STF (den ich aus den Restbeständen von Santel "organisiert" habe), mit. Der ist wirklich ein sehr schönes Planetengerät, vermessen mit 0.94 Strehl und vor allem mit Sitall Spiegel (das russische Äquivalent zu Pyrex) und mit deutlich weniger Tubusproblemen beim Auskühlen. Schritt für Schritt baute ich auf, justierte den Polarstern an die richtige Position im Polsucher und wollte meine kleine Powerbank anschließen: Mist, kein Strom in der Montierung! Was war das? Nach einigen Überlegen war es klar - anscheinend das falsche Verbindungskabel von der Powerbank eingepackt, der Stecker saß nicht richtig. Ohne Strom geht nun aber gar nix ...

Also umgeplant, das Auto ganz knapp neben die Montierung gesetzt und das lange Anschlusskabel für den Zigarettenanzünder verwendet. Strom da - uff - alles OK! Weiter ging es mit dem Aufbau von Campingtisch und den anderen Materialien. Zwischendrin piepste das GPS zufrieden, also war das auch im trockenen Tüchern. Und dann - mittlerweile war es stockfinster - die Reduzierung von 2" auf 1,25" gesucht und nicht gefunden ... Ach nee: Vergessen!

Bei meinem Klevtsov ist die standardmäßig im OAZ, beim STF nicht. Was jetzt? Zuhause ist gerade niemand den ich anrufen könnte, ersetzen lässt sich das Teil hier gar nicht ... Nur visuell mit 2" beobachten? Das würde mir ewig nachhängen. Aber die Alternative? Alles wieder einpacken, heimfahren und das Teil holen und dann neu aufbauen? Mittlerweile war es 21:40 - dann könnte ich die Filmnacht auch vergessen.

Und dann habe ich das Unmögliche gewagt! Ich habe kurz den abgelegenen Ort gecheckt, die Jäger waren auf der anderen Seite des Berges, auf der Straße kam in der letzten Stunde kein Auto ... aaalso ... Stromkabel weg vom Auto, Montierung und Teleskop im Dunklen stehen lassen und die 15 Minuten nach Hause gefahren. Praktischerweise konnte ich dann meinen Bleigelakku auch noch mitnehmen und war nach 35 Minuten wieder beim Teleskop, das unversehrt auf der Wiese stand: Uff ...

Endlich mit allen Ausrüstungsteilen vor Ort ging alles wieder los. Was ich mir ersparte war die erneute Poljustage, das sollte später bei 4000mm Brennweite zum Problem werden. Aber gut - es dauert ja schon lange genug den Mars in das minikleine Feld des CCD Chips zu kriegen und dann die Bildgröße in Pixeln (ROI) auch noch so klein zu bekommen, dass ordentlich FPS möglich sind. Bei rund 250x350 Pixeln verließ mich der Mut. Zudem musste ich (in Ermangelung irgendeines Sterns zum Fokussieren) auch noch an der Planetenscheibe scharfstellen - in dem Fall an der Polkappe, da war der Kontrast am besten.
Dummerweise passte, durch die Verzögerung beim Start, die Polausrichtung auch nicht mehr exakt und so wanderte Mars immer wieder leicht aus dem Kamerafeld. Gut, das konnte ich aber über die Handsteuerung korrigieren.

Die Hauptspiegelfokussierung des STF läuft sehr gut und (fast) spielfrei, aber bei 4000mm Brennweite kommt sie auch an ihre Grenzen. So rund 10 Bogensekunden sind dann doch drin und das bedeutet in der Praxis, dass das Bild halt jedesmal um 10" wegrutscht, wenn die Drehung am Fokussierknopf in die entgegengesetzte Richtung läuft. Normalerwerweise völlig egal und unbedeutend, hier drohte Mars jedesmal aus dem CCD-Chip zu schlüpfen ...

Nach einer gefühlten Unendlichkeit im Fokussieren begannen dann die Aufnahmen - immer wieder unterbrochen durch neue Fokussierungen um irgendwann einmal ganz nah´ an den Fokus zu kommen. In der Summe kamen dann 3,6 GB an Daten zusammen und in der Nachschau zeigte sich, dass zwei Streams ordentliche Daten lieferten entweder weil das Seeing da gut passte (im Zenit war das genial- Wega stand visuell perfekt ruhig im 3,5mm Okular mit 1-2 Beugungsringen) oder der Fokus gut getroffen war, oder beides.

Um kurz vor Mitternacht war dann der Laptopakku leer und Mars sank schon wieder deutlich tiefer. Trotzdem waren die erste und die letzte Aufnahme diejenigen, die am besten waren. Kurz vor 1:00 Uhr hatte ich dann zusammengepackt und genoss noch das (viel früher geplante) Abendessen in einer lauen, trockenen Spätsommernacht.

Die Ergebnisse sind ganz ordentlich, wenn man die himmlischen und irdischen Hindernisse im Blick hat, die diese Nacht so mit sich brachte. Ich bin jedenfalls recht zufrieden, nur ein bisschen neidisch, was erreichbar wäre, wenn Mars 10 Grad höher stünde. Aber man kann nicht alles haben.

           

Und noch mal kleiner, damit er ein bisschen definierter daher kommt.


.png   Mars_234700-neu-v2-50%.png (Größe: 83,6 KB / Downloads: 210)

Alle Bilder mit 7" STF mit Zeiss-Abbe Barlow (hier ca. 2,3x) bei ca. 4100mm Brennweite, rund 11500 Bilder bei 102 FPS, davon 20%-33% verwendet über Autostakkert, Weiterverarbeitung in Registax (Wavelet, Kontrast, Helligkeit, RGB stretching), ROI 232x256

Andreas-TAL
____________________________________________________

Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
Folgenden 8 Usern gefällt Andreas-TAL's Beitrag:
Christoph (07.09.2018), Florian B. (07.09.2018), Herbipollution (07.09.2018), Karsten (09.09.2018), LarsL. (07.09.2018), Martin.F (08.09.2018), Ulf (06.09.2018), Uwe (08.09.2018)
Zitieren
Folgenden 8 Usern gefällt Andreas-TAL's Beitrag:
Christoph (07.09.2018), Florian B. (07.09.2018), Herbipollution (07.09.2018), Karsten (09.09.2018), LarsL. (07.09.2018), Martin.F (08.09.2018), Ulf (06.09.2018), Uwe (08.09.2018)


Nachrichten in diesem Thema
Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 06.09.2018, 21:09
RE: Die lange Marsnacht ... - von Ulf - 06.09.2018, 21:19
RE: Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 06.09.2018, 21:22
RE: Die lange Marsnacht ... - von Ulf - 06.09.2018, 21:41
RE: Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 06.09.2018, 22:17
RE: Die lange Marsnacht ... - von Christoph - 07.09.2018, 05:21
RE: Die lange Marsnacht ... - von Ulf - 07.09.2018, 18:58
RE: Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 09.09.2018, 10:28
RE: Die lange Marsnacht ... - von Florian B. - 09.09.2018, 11:32
RE: Die lange Marsnacht ... - von Christoph - 09.09.2018, 12:43
RE: Die lange Marsnacht ... - von Ulf - 09.09.2018, 12:58
RE: Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 09.09.2018, 13:31
RE: Die lange Marsnacht ... - von Ulf - 09.09.2018, 13:37
RE: Die lange Marsnacht ... - von Andreas-TAL - 09.09.2018, 14:41



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste