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Eine Wollmütze für den Laptop!!!
#1
BB vom 18.09.2020

Hallo,

gestern ergab es sich, dass Christoph nach Großrinderfeld zu Bernhard kam. Durch den 24"er wollte Christoph schon länger einmal sehen und ich brachte dann noch den AOM 135 FLT mit auf die Terrasse, da auch Bernhard mein neues Teleskop bis jetzt noch nicht begutachten konnte.

"Du weißt aber, dass auf der Leiter festes Schuhwerk, auch aus "Arbeitsschutzgründen" (ArbSchG d. Hobbyastronomie §7 - Kein Dobson ohne Sicherheitsschuhe Wink ), Pflicht ist - lass ja deine Sandalen im Kloster  Tongue !", beschwor ich Christoph beim vorausgegangenen Telefonat am Mittag. Ich sollte ihm mit diesem Hinweis noch einen weiteren Gefallen tun!

Die Bedingungen am Abend waren alles andere als erwartet. Die Luft zuckte äußerst tückisch und immer wieder hatte man den Eindruck, dass die Transparenz einbrach, obwohl beim Blick mit bloßem Auge am Himmel scheinbar alles tipp-topp wirkte. Einzig die Milchstraße blieb etwas blass, was auf die durchwachsene Abbildung im Okular schließen ließ.
Wir vermuten, dass hier immer noch die Aschereste in der hohen Atmosphäre auf das Seeing und die Beobachtungsmöglichkeiten Einfluss haben. 

Anfangs, bis etwa 22:00 Uhr war entsprechend wenig an den Planeten Saturn und Jupiter zu holen. Die Cassiniteilung konnten wir dem Herr der Ringe dann bei etwa 200x im FLT dann doch abringen.
Im Defokus erkannte man, wie der Jet die Planetenscheibe durchknetete und hochbeschleunigt verzerrte.
Im 24 war es entsprechend durch die gesammelte Lichtmenge und die Helligkeit der Planeten einfach nicht sinnvoll sich näher mit den beiden Gasriesen zu beschäftigen. 

Dafür wurde dann gleich mal der Zentralstern des Ringnebels bei 700x ins Auge "geschossen". M27 erschien ebenfalls brutal hell. Einzelheiten in den "Hantelbögen" waren direkt greifbar und der Zentralstern, ein weißer Zwerg mit ca. 14mag, glänzte in der Mitte dieser vergangenen Sternexplosion.

Mit dem FLT blickte ich eine Weile auf Albireo und studierte die Beugungserscheinungen im Fokus, die durch das Seeing tatsächlich merkwürdig zuckelig, ruckelig, dann wieder flau daher kamen. 
Immer wieder "schnappte" aber auch die Schärfe der Optik zu und hielt sauber das Sternpünktchen bzw. Airydisc mit dem umgebenden schwachen Beugungsring fest. 

Im Großgerät überzeugte einmal mehr der Cirruskomplex und die Hexenhand stand strukturiert Format"über"füllend in und neben dem Okular Wink . Wahnsinn, was da dann an Einzelheiten zu erkennen war. So entwickelte sich dieses Objekt nicht nur bei mir zum ersten Highlight des Abends.
Der Sichelnebel NGC 6888 war auch ohne Filter locker zu erkennen und gab ohne "Widerstand" seine schöne, gebogene Form Preis. - Da war auch Christoph entzückt!
Anschließend wurden einige PN mit hoher Vergrößerung genossen. NGC 7008 überzeugte in seiner Gesamtdarstelleng von Nebel und umgebenden Sternen. Die Farben leuchteten nun selbst in meinem Schwarz-Weiß-Visus.

Blue Snowball NGC 7662 war so eindrucksvoll, dass Christoph kurzerhand die Kamera in den 24"er Okularauszug stopfte und eine Aufnahmeserie anlaufen ließ. Zum Glück passte alles und wir benötigten nicht noch irgendwelche Hülsen und Adapter. Über die Zeit wurde es deutlich kälter und ein lebhaftes, kaltes Lüftchen zog unter die Klamotten. Christoph kramte seine Wollmütze heraus. "Die braucht man erst ab - 15°C!", sagte ich, obwohl mir mit meiner dünnen Weste auch schon etwas kühl wurde...  Undecided

Im Pegasus schauten wir uns NGC 7331 an - die Begleiter konnten wir "nebenan" einfach mit abgrasen.
Dass Stephans Quintett um NGC 7320 ein einfaches Objekt ist, zeigte Bernhards 60cm Spiegel eindrucksvoll. Hatten wir zuletzt auf dem Kreuzberg mit dem 16"er von Willi keinen Erfolg, die Handvoll Galaxien überhaupt auszumachen, standen sie nun beinahe leuchtend im Gesichtsfeld und konnten bequem abgezählt und zugeordnet werden. Und das, obwohl ich dem gestrigen Himmel von der Durchsicht höchstens eine 7 von 10 ... abzüglich der unruhigeren Luft geben würde.

Den FLT ließ ich auf die KS M15 und M2 los, welche über die Zeit mit feinen Sternpünktchen immer besser zur Geltung kamen. Je höher die Objekte kamen und je später es wurde, um so ruhiger wurden die Verhältnisse. 

"So hab ich M15 noch nie gesehen!", sprudelte es aus Christoph heraus!, "super!"

Gemeinsam freuten wir uns schon auf Mars, der langsam im Osten an Höhe gewann. Noch war es nicht soweit. 

NGC 7479 überzeugte ebenfalls formschön bei 240x im Großgerät. Das Staubband von NGC 7814 war dagegen schon etwas schwieriger zu erkennen. 
M 33 wurde dann im wahrsten Sinne des Wortes in die Spiralarme zerlegt. Sternentstehungsgebiete, Knoten und weitere Einzelheiten ließen unser Hobbyastronomenherz höher schlagen. "It kicks you from the ladder!" war das passende Zitat das uns dazu einfiel.  Daumen hoch

Das ist die Welt des großen Dobson - Galaxien zerlegen.
Für mich war aber NGC 891 das Objekt der Nacht. Wie ein Ufo lag die Edge on im Gesichsfeld. Das breite, dunkle Staubband trennte die obere von der unteren Hälfte der Sterninsel eindrucksvoll. Ich liebe Edge on! Und ich liebe Staubbänder!!!!

Gefühlt lagen nun die Temperaturen schon deutlich unter 10° und wir begannen mit den Planetenaufnahmen. Ach wie war Christoph froh, dass er zuhene Schuhe hatte. Ihm wären sonst wahrscheinlich jetzt nach gut dreieinhalb Stunden bereits die Zehen abgefroren gewesen.

Auch am Dobs wollten wir den Mars versuchen aufzunehmen... Dann wurde der Bildschirm vom Laptop, das auf der Leiter stand schwarz! Der Akku war förmlich zusammengebrochen. Die Kälte hat die Laufzeit deutlich verkürzt. Was tun... Christoph zog noch eine Wollmütze aus der Jackentasche... 

Die Wollmütze (die gehört in Zukunft sicher zur Standart-Polarausrüstung für Badisch Sibirien) wurde unter das Laptop gelegt - als "Fußbodenheizung" quasi und eine Stromversorgung hergestellt. Wir benötigten zumindest einen gewissen Mindeststromstand, damit die Kamera nicht gleich wieder den ganzen Strom leer zieht. Nachdem der Rechner neu gestartet war und sich einige Minuten erholen konnte, ging es weiter.

Auch am FLT wurden im Anschluss noch einige Tausend Bilder gesaugt und die Festplatte mit Rohdatenmaterial gefüllt. Zu den entstandenen Aufnahmen von Mars und vom Blue Snowball (den man seit Gestern auch als Bote der kälteren Jahreszeit bezeichnen darf) wird sicher Christoph noch etwas schreiben und liefern.

Visuell durfte ich dann auch mit dem 3,5er Nagler bei über 300x und einer sehr ordentlichen, kontrastreichen und super ästhetischer Planetenabbildung zufrieden sein.
Das Durchhalten hat sich gelohnt. Eine schneeweiße, klar umgrenzte Polkappe und auch die Dunkelregionen konnten wir deutlich erkennen. Freilich es ist noch Luft nach Oben gewesen, aber nach dem eher enttäuschenden Ansichten von Saturn und Jupiter war das schon fast großes Kino.

Bernhard nahm noch Uranus auf´s Korn. Ein schönes türkises "Kügelchen" zwischen all den nadelfeinen Sternpünktchen .... toll!

M74 - War dann unser Absacker - gegen 1:30 Uhr - Die Spirale der Galaxie war eindeutig zu erkennen und weitere Feinheiten beim genaueren Betrachten wurden blickweise sichtbar. Dass sich der Abend dann doch noch so gut entwickelte hätten wir nicht für möglich gehalten.

Vielen Dank Bernhard für die Einladung. Es war wieder ein besonderer Abend mit eindrücklichen Ansichten.  Daumen hoch
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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Eine Wollmütze für den Laptop!!! - von Uwe - 19.09.2020, 11:52



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