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ACHTUNG: Rosetta landet um 17 Uhr-LIVE
#29
Hallo Miteinander!

Ja Christoph, die "Rechnungen" zeigen, dass Philae recht knapp unter der Fluchtgeschwindigkeit geblieben ist. Etwas mehr und sie wäre in eine langsam absinkende Bahn um dem Kometen eingetreten ... oder hätte gar die Gravitationsbindung zu Tschurjumow-Gerasimenko verloren.

Letztlich war es ein Rieseldusel ...

Nicht umsonst hat die NASA als es um die Projektierung ging mit dem Satz abgewunken: Die Mission ist nicht durchführbar. Irgendwie läuft es auf den Satz raus: Die ESA hatte keine Chance, aber die hat sie genutzt.

Was aber für die Landeingenieure schade ist, dass eigentlich keinerlei technische Erfahrungen über die Landung auf solchen Objekten gesammelt werden konnten, einfach weil fast nichts reagiert hat. Selbst wenn das Landeprozedere misslungen wäre, hätte man mehr Daten.

Können Harpunen in so einem Körper eindringen, wie tief eindringen, sich verankern? Keine Ahnung.
Können Druckgastanks eine solche Sonde lang genug stabilisieren und auf dem Boden halten? Keine Ahnung.
Können sich Eisbohrer an den Beinen sich in solches Material hineinbohren, wie langsam/schnell geht das, wie stabil ist das? Keine Ahnung.
Kann man, wenn man auf irgendeine Art und Weise eine Verankerung auf dem Boden erreicht hat per Seilsystem eine Sonde auf den Körper "herunterziehen"? Keine Ahnung.

Ich vergleiche das immer gerne mit Mars und wie viele Versuche und Varianten es gebraucht hat (ich komme auf über 40 Marsmissionen, die freilich nicht alle Landungen beinhalten) um zu der meiner Meinung nach herausragendsten Landung in der Ingenieurtechnik zu kommen: "Curiosity" automatisiert per Kran, der sich vorher düsengetrieben selbst stabilisierend und per Hitzeschild und Fallschirm (die man ja auch noch irgendwie loswerden muss) seinen Weg durch die Atmosphäre gebahnt hat, sanft auf der Oberfläche abzusetzen um dann auch noch von der Landestelle wegzufliegen.

Aus technischer Sicht ist man bei der Kometenlandung genauso schlau wie vorher, weil ja nicht mal was schiefgegangen ist, sondern "es" eben gar nicht gegangen ist. Allerdings wäre es auch schon etwas vermessen gleich beim ersten Versuch auf so einem Körper zu landen ein perfektes System auszutüfteln.

Das der Komet so brettlhart ist, ist aber trotzdem eine Überraschung, weil die Dichtemessungen etwas anderes vermuten ließen. Er kann definitiv nicht durchgehend aus kompaktem Material bestehen. Die gängigste Hypothese ist nun, dass er, von den mehreren Umrundungen um die Sonne und den thermischen Vorgängen dabei, so was wie eine Schmelzkruste aufgebaut hat und darunter viel diffuser zusammengesetzt ist. Tschurjumow-Gerassimenko ist eigentlich ein langperiodischer Komet, gehört nun aber in die sog. "Jupiterfamilie" (wurde also erst von Jupiter auf diese Bahn gebracht) und hat dadurch seine kurzperiodische Umlaufbahn bekommen, die ihn seit 150 Jahren alle 6-7 Jahre in Sonnennähe führt.

Übrigens, wer mal hören will, wie sich eine Kometenlandung anhört, dem sei das hier empfohlen:
https://soundcloud.com/esaops/philae-touchdown-thud
(Was allerdings Alexis Zorbas anschließend im Hintergrund zu suchen hat, weiß ich aber auch nicht so wirklich ... Smile )

Das mit den Batterien ist so eine Sache, Winfried. Als Rosetta geplant wurde, wollte man eine "ungefährliche" Sonde bauen. Die Alternative ist nämlich eine Radionuklid Batterie, die aus dem Hitze erzeugenden radioaktiven Zerfall ihrer Element über Peltierelemente Strom generiert. Aber die besteht aus so unangenehmen Sachen wie Kobalt, Strontium, Cäsium, Polonium, Plutonium ...
Und das Risiko eines Fehlstarts besteht immer. Wenn so ein Teil in der Atmosphäre verglüht, wird die halt damit angereichert.

Klassischerweise bestückt man - wenn überhaupt - nur Raumsonden, die eine sehr lange Lebensdauer haben müssen, einen hohen Strombedarf haben, die weit entfernt von der Sonne operieren und in Regionen mit extrem niedrigen Temperturen arbeiten, mit solche Teilen.

Für Philae sah die Rechnung so aus:
Lange Lebensdauer - ja, aber meiste Zeit davon abgeschaltet
Aktive Arbeitszeit - kurz, nur wenige Monate, die Solarzellen (erprobte Technologie) sicher abarbeiten
Hoher Strombedarf - nein, nur zwei Stromfresser an Bord (Bohrer, Gaschromatograph), die aber nur punktuell benutzt werden
Sonnenferne - nur Anfangs, dann immer näher kommend, also steigende Temperaturen und steigende Sonneneinstrahlung.

In der Risikoabschätzung kam man (nachvollziehbar) zu dem Schluss, dass man keine Radionuklidbatterie benötigt und hat vorhandene Batterie so dimensioniert, dass sie die Primärmission ermöglicht.
Zudem dachte man, dass man bis dahin mindestens fünf, eher noch mehr Sonnen(lade)zyklen durchlaufen hat und dann selbst mit nur 30% Einstrahlung völlig problemlos weiter arbeiten kann.

Dass man erfolgreich landet, aber in den Schatten gerät war kein Szenario mit hoher Wahrscheinlichkeit. Der Landeort war ja eines der wenigen Dinge, die man glaubte im Griff zu haben (stimmte ja auch, war nahezu perfekt - also bei Nummer 1). Ging die Landung schief bedeutete das ja eh: Sonde kaputt. Das es etwas zwischen "erfolgreichen Touchdown" und "Sonde kaputt" gibt, konnte man sich nicht wirklich vorstellen.

Rosetta wird übrigens nicht in der nächsten Zeit auf einen Kontakt mit Philae "lauschen". Das hat man gecancelled. In der letzten Zeit wurde sie ja zum Backup-Computer und zur Relaisstation degradiert. Nun macht sie wieder Wissenschaft ...

Im Dezember manövriert man sie wieder näher an den Kometenkern (bevor dessen Aktivität ansteigt und Rosetta gefährdet) und beginnt mit eine hochauflösenden Kartographierung der Oberfläche. Dies soll die Grundlage bilden um später, wenn der Komet richtig aktiv wird, vergleichen zu können wie diese nun aktiven Regionen vorher aussahen.

Zu Beginn des neuen Jahres wird Rosetta dann auch wieder gezielt versuchen ein Signal von Philae zu identifizieren. Bis dahin hat sich die "Sonnenlage" der fraglichen Landeregion verbessert. Und irgendwann in den Wochen danach wird man abwägen müssen, ob man weiter lauscht (Orbit möglichst nah am Kometen) oder ob man Rosetta lieber in Sicherheit bringt (und damit auf Distanz geht) um sie möglichst lange betreiben zu können.

Andreas (mit dem TAL)
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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RE: ACHTUNG: Rosetta landet um 17 Uhr-LIVE - von Andreas-TAL - 20.11.2014, 19:46



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