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Vortragsabend: Dunkle Materie, der geheimnisvolle "Kit" des Universums, 12.01.2016
#1
Hallo,

gestern am 12.01.2016 haben einige von unserer "Astro-Gemeinde" den Vortragsabend: Dunkle Materie, der geheimnisvolle "Kit" des Universums von Dr. Dominik Elsässer in Volkach im Schelfenhaus besucht.

Mit dabei waren:

Florian B.
Johannes
Mareike

Wir trafen uns um ca. 19:00 Uhr in Volkach am Freibad Parkplatz und sind gemeinsam zum Schelfenhaus in wenigen Minuten gelaufen. In wunderschönen barocken Ambiente im 1. Stock begann der Vortrag relativ pünktlich um 19:30 Uhr.

Dr. Dominik Elsässer begann mit einer kurzen Einleitung zum Thema was ist Materie und wie unglaublich leer das Universum eigentlich ist. Dabei hat er eine Widefieldaufnahme der Milchstraße vom galaktischen Zentrum inklusive Antares-Region gezeigt, in beneidenswerter Abbildungsqualität. 
Weiter ging es mit einer Hubble Deep-Field Aufnahme (HST ACS/WFC3) mit 2 Megasekunden (also ca. 555 Stunden) Belichtungszeit, sichtbare Grenzgröße 31mag!!! Die zu sehenden Galaxien sind ca. 10000 Milliarden km entfernt. Obwohl dort so viel sichtbare Materie herumschwirrt, so erklärte er, ist der Raum zwischen uns Beobachtern bis hin zu den Galaxien nur mit 10^21 intergalaktischen Atomen durchsetzt. Hört sich viel an ist aber die Materie von ca. 1Liter Volumen. Also doch leer, dieses Universum. Trotz so viel sichtbarer Materie.

Dann kam der Referent zur einzigen Formel im Vortrag, aber wichtig für's Verständnis - der sog. Virialsatz - eine Beziehung zwischen dem zeitlichen arithmetischen Mittelwert der kinetischen Energie E-kin und dem zeitlichen Mittel der potentiellen Energie E-pot eines abgeschlossenen physikalischen Systems:

E-kin = -1/2 * E-pot

E-kin ist also die kinetische Energie mit der sich Systeme, z.B. später genannte Galaxienhaufen, bewegen, E-pot das Gravitationspotential.

Jetzt kam als Beispiel der Virgo-Galaxienhaufen: Man stellte fest, das die Geschwindigkeit mit ca. 1000km/s die die Galaxien sich bewegen und damit die kinetische Energie um den Faktor 10 bis 100 zu hoch ist, als dass das Gravitationspotential (E-pot) der sichtbaren Masse verhindern würde das der Galaxienhaufen förmlich explodiert. Folglich stimmt da etwas nicht. Es muss eine Materie oder etwas geben welches das Gravitationspotential so weit verstärkt, dass die obige Gleichung wieder erfüllt ist. Das muss so sein, denn der Virgo-Haufen hält stabil zusammen und dass schon seit hunderten Millionen Jahren und länger.

Aha - dunkle Materie hat man das getauft. Nun erklärte Dr. Elsässer das die dunkle Materie  nicht zu verwechseln ist mit Dunkelwolken, die ja Molekülwolken sind. Im Gegensatz zur dunklen Materie ist die ja sichtbar, nachweisbar über Strahlung also die elektromagnetische Kraft (eine der vier Fundamentalkräfte). Wie Anfangs kurz von ihm erklärt ist das dichte Materie, so wie die Erde. Eigentlich eher die Ausnahme im Universum (das ist ja überwiegend leer). Also, "transparente Materie" wäre besser gewesen als Begriff.
Zum Vergleich kam aber noch: Die Dunkelwolken haben ca. 100 Atome / cm^3. Ein gutes Hochvakuum der Experimentalphysiker hat immer noch nach tagelangem Luft abpumpen ca. 10000 bis 100000 Atome / cm^3!!!

Weiter erzählte Herr Elsässer, das dunkle Materie nicht wie dichte Materie punktmäßig, sondern weit verteilt ist, in sog. Halos. Zum Vergleich kam: Die verteilte dunkle Materie muss im Galaxienhaufen (je nach Haufen oder Galaxie) etwa 10 bis 100 mal mehr Masse als alle dort befindlichen Sternen, Gas & Staub haben.

Jetzt wussten wir: dunkle Materie, man sieht sie nicht (keine Wechselwirkung mit elektromagnetischer oder starker Kernkraft) sie beeinflusst die Gravitation (maßgebliche Wechselwirkung) und ist verteilt. Die Messung über die Masse erfolgt u.a. hauptsächlich über den Gravitationslinseneffekt. Die Ablenkung des Lichts ist ein proportionaler Maßfaktor für die vorhandene Gesamtmasse, abzüglich der gesehenen sichtbaren Materie kann die Masse dieser dunklen Materie festgestellt/abgeschätzt werden.

Aber wie weist man die dunkle Materie jetzt nach? Elektromagnetisch geht nichts, die starke Kernkraft die die Atome zusammenkittet auch nicht. Diese wäre ohnehin nicht so gut, das sie zwar stark aber kurz-reichweitig ist. 
Eine Nachweis Methode kennen wir schon: über Gravitationskraft. Ein Modell arbeitet mit dem neuen Higgs-Boson! Dieser Nachweis ist aktuell eines der Hauptanliegen mit dem LHC am CERN mit den Beschleunigerexperimenten.
Und es gibt noch eine Möglichkeit: über die Streuung an Atomkernen (schwache Kernkraft). Damit kann man die WIMPs (weakly interacting massive particles „schwach wechselwirkende massereiche Teilchen) der dunklen Materie auch detektieren.  Z.B. auch bei Kollision von WIMPs und ihren Antiteilchen. Bei der Paarvernichtung entsteht Gammastrahlung, bei uns auf der Erde z.B. mit Cherenkovteleskopen messbar ist.

Aber warum gab es bisher noch keine Resultate? Die Ergebnisse werden durch viele Störungen überlagert! Bei den Beschleunigerexperimenten kann man differentielle Messungen vornehmen um das zu minimieren.
Dr. Elsässer erklärte es für die Beschleunigerexperimente mit einem Modell (ich hab mir ein Bild geschnappt und unsere Sonne dupliziert (gelb) und die Erde an zwei Punkten (schwarz gefüllte Kreise) eingezeichnet:

   

D.h. die Erde rotiert um die Sonne mit ca. 30km/s. Unser Sonnensystem bewegt sich mit 220km/s um unser galaktisches Zentrum. Jetzt ergibt sich, das am Juli die resultierende Geschwindigkeit der Erde bei 250km/s liegt im Dezember bei 190km/s. Jetzt vergleicht man ob es an einem der Zeitpunkte mehr WIMPs gibt die detektiert wurden, also ein Vergleich zwischen den E-kin (obige Formel) an beiden Zeitpunkten (wir bewegen uns also schneller oder langsamer durch's Dunkle-Materie-Halo). Um Störungen weiter zu minimieren: Beschleuniger tief unterm Berg bauen, alles gut gekühlt und abgeschirmt. Wegen des Aufwands und der vielen Störungen gibt es noch keine Ergebnisse - ähnlich zum LIGO System für Gravitationswellen vom letzten Vortrag von Harald Pfeiffer. Es dauert einfach noch.
Außerdem kommt zu den Störungen dazu: Die Erde und  wir Menschen, wir sind dichte Materie, punktförmig im Universum konzentriert. Dunkle Materie ist aber verteilt. Zum Vergleich zu unserer störenden dichten Materie und den Störquellen für Detektoren haben wir auf der Erde nur ca. 700g dunkle Materie - also verschwindend wenig!!!

Bei der Streuung an Atomen, der Messvariante mittels Gammastrahlung - haben wir außer ein paar Raumteleskop-Vertretern hauptsächlich erdgebundene Cherenkov-Teleskope. Gammastrahlung wird aber von der Atmosphäre geschluckt. Der Sekundärteilchenschauer erzeugt das Cherenkovlicht. Die Messungen sind aber weniger hochauflösend als im sichtbaren Bereich. 
Dr. Elsässer zeigte einige beeindruckende La Palma Bilder. Er und Kolleginnen waren auch mal dort. Sie werten die Cherenkov-Teleskop Daten (pro Teleskop & Nacht a 2TB Daten!!!) aus. Hier macht man lange Aufnahmereihen z.B. der Galaxienhaufen-Regionen um die dunkle Materie Halos zu erkennen. 
Auch hier sind zu geringe Datenmengen bisher aber vor allem andere Störungen aber auch Ereignisse im All problematisch für die Ergebnisauswertung. Dafür hat man als Nebeneffekt Ergebnisse zu anderen kosmischen Ereignissen wie schwarzen Löchern usw. gewinnen können. Die eigentlichen Halos der dunklen Materie lassen aber noch auf sich warten. Auch hier gilt: Viele Jahre weitermachen, dann kann man eine Aussage machen.

Damit war der Vortrag nach ca. 1 Stunde abgeschlossen! Viel Info - gut aufbereitet aber schon ein kleiner Einlauf!  Big Grin Dr. Elsässer hat anschließende Fragen wirklich sehr anschaulich erklärt.

Die 1. Frage war die Beste mit der besten Antwort. Die Frage war zur Messung in Verbindung mit der Formel - dem Virialsatz (zusammengefasst - kein Zitat):

Fragender: "Das ist doch aber nur ein Rechenexempel mit der dunklen Materie und dem Nachweis? Wie kann man die Annahmen (gemeint war wohl die Theorie der Messungen und des Nachweises) den dann so gezielt versuchen zu messen?  Da fehlen doch die stichhaltigen Hinweise glauben zu wollen das das alles so ist?"

Antwort: Dr. Elsässer wirft seinen Autoschlüssel hoch und fängt ihn auf. Er sagt dem Fragenden: "Sie können den Fall des Schlüssels mit einer guten Kamera genau vermessen und damit letztendlich über diesen freien Fall die Schwerkraft der Erde genau errechnen. Das Gravitationsgesetz ist eines der besten verstandenen Gesetzte und auch unter relativistischen Gesichtspunkten experimentell sehr gut bewiesen. Wenn der Schlüssel jetzt 10mal höher fliegt, dann sehen Sie gleich - da stimmt was nicht im Vergleich zum Normal. Es muss eine weitere Kraft existieren die das beeinflusst. So auch das feststellen zwischen sichtbarer Materie und der zu hohen Geschwindigkeit z.B. im Galaxienhaufen.

--> Die Antwort war einfach und einleuchtend warum die Theorie einer neuen unbekannten Materie und ihre Wechselwirkung und Nachweismöglichkeit mit vernünftigen Argumenten entstand.

Wie gesagt, der Vortrag war echt super. Die Bilder auch von La Palme & anderen haben den Vortrag als Hingucker gut aufgelockert. Und der Referent hat sehr gut und anschaulich erklären können.

Nach einer Fragerunde gingen wir zurück zum Parkplatz für den nach Hause Weg - leider. Nach ein paar weiteren Minuten Diskussionen zum Thema und anderem astronomischen Dingen gingen wir nach Hause. Und freuen uns schon auf den nächsten Stammtisch!  Smile

Keine Gewähr für Schreibfehler! Ich bin jetzt hundemüde.  Cool

Grüße & viel Spass beim Lesen,

Florian
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#2
Hallo Florian!
Vielen Dank für Deinen tollen, anschaulichen Bericht!   Daumen hoch

Ich war schon am Nachmittag ziemlich geschafft und bin deshalb nicht nach Volkach. Dein Bericht hat mich entschädigt.
Viele Grüße
Christoph

https://www.klostersternwarte.de
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Florian B. (14.01.2016)
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Florian B. (14.01.2016)
#3
Hallo Florian!

Danke für Deinen tollen Bericht -  Du hast Dir wirklich sehr viel Arbeit für uns gemacht!

Hat Euch Dr. Elsässer das alles wirklich in nur einer Stunde rüber gebracht?

Damit Du siehst, dass ich mir auch alles aufmerksam durchgelesen habe:
"Die zu sehenden Galaxien sind ca. 10000 Milliarden km entfernt", schreibst Du. Aber das ist gerade mal 1 Lichtjahr. Du meinst bestimmt 10000 Milliarden Lichtjahre.
Wenn ich daran denke, dass z.B. der Saturn ja immerhin schon 1 Lichtstunde von uns weg ist, dann wird mir bei solchen Zahlen schon ganz schön schwindelig.

Und den Vortrag von Professor Pfeiffer habe ich auch noch nicht ganz verdaut.

Ich hab´ mir Deinen Bericht jedenfalls mal ausgedruckt, damit ich zwischendurch immer wieder mal drin lesen kann (Nein! - nicht zum Fehler suchen). Alles auf einmal ist mir eben zuviel.


Viele Grüße und nochmal Danke!
Georg



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Florian B. (13.01.2016)
#4
Hallo Florian,

ich bin begeistert wie du dir den schweren Stoff so gut merken und für uns aufbereiten konntest. Daumen hoch
Astronomische Grüße
Ulf

[Bild: signatur.jpg]

Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren!
Benjamin Franklin
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Florian B. (14.01.2016)
#5
Hallo Florian,

ich finde deine Ausführungen auch absolut klasse. So haben wir, die nicht dabei sein konnten einen Einblick in dieses spannende Thema. Vielen herzlichen Dank dafür. Daumen hoch

@Georg: 10000 Milliarden Lichtjahre wäre aber dann schon wieder viel zu weit weg, geht man doch von einem ca. 78 Mrd. Lichtjahre durchmessenden Universum (Ausdehnung seit dem Urknall) aus.
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
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Florian B. (14.01.2016)
#6
(13.01.2016, 18:20)Geo schrieb: Hat Euch Dr. Elsässer das alles wirklich in nur einer Stunde rüber gebracht?

Damit Du siehst, dass ich mir auch alles aufmerksam durchgelesen habe:
"Die zu sehenden Galaxien sind ca. 10000 Milliarden km entfernt", schreibst Du. Aber das ist gerade mal 1 Lichtjahr. Du meinst bestimmt 10000 Milliarden Lichtjahre.
Wenn ich daran denke, dass z.B. der Saturn ja immerhin schon 1 Lichtstunde von uns weg ist, dann wird mir bei solchen Zahlen schon ganz schön schwindelig.


Servus,

ja, in ca. 1 Stunde vielleicht 10 Minuten mehr, mehr aber nicht!

Das mit den 10000 Milliarden km - da hast du recht. Möglicherweise habe ich mir da was falsch notiert. Beim Virgohaufen sind es ca. 54 Millionen Lichtjahre Entfernung. 

Wahrscheinlich waren es eher 10000 Millionen Lichtjahre! Wären dann 10 Milliarden Lichtjahre. Dann würde das wohl passen. Extrem grob abgerundet passt das zum Bild - ich habe es wieder erkannt. Er hat das bekannte Ultra Deep Field Bild genommen, wenn ich nicht irre:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hubble_Extreme_Deep_Field

Sind eigentlich ca. 13,2 Mrd. Lichtjahre. Und es sind die besagten 2 Megasekunden (ca. 23 Tage) Belichtung.

Schön dass euch der Beitrag gefällt. Ich liebe solche Themen & Vorträge - auch wenn's irgendwann anstrengend wird beim zuhören und verfolgen.

Grüße,

Florian
Astrobin
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#7
Hallo Florian,

ein großes Kompliment auch von mir für dieses gelungene Vortragsprotokoll. Wäre auch gerne dabei gewesen, Deine Ausführungen entschädigen mich aber ausreichend.

Du hast es ja erwähnt, die große Krux beim Nachweis der mutmaßlichen WIMPs ist das geringe Signal/Noise Verhältnis. Derzeit ist wohl noch kein Forscherteam in der Lage, signifikante Messwerte zu sammeln. Geduld ist gefragt und am Ende wartet der Physik-Nobelpreis...
Gruß Martin
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Florian B. (15.01.2016)
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Florian B. (15.01.2016)




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