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Wie schwarz ist schwarz? - Test & Vergleich
#29
Und das führt mich zu einem letzten Produkt, dass meine Netz-Recherche zutage gefördert hat. Dafür war ich - zumindest digital - auf der anderen Seite der Welt: Japan. Dort wählte einen Firma einen komplett anderen Ansatz. Sie hat sich nicht der Lackentwicklung verschrieben, sondern Folien. Der Gedanke ist frappierend einfach: Wie wäre es, wenn man eine solche Mikrostruktur, wie sie Lacke durch den Zusatz mit Mattierungsmitteln, Füllern, Pigmenten und der langsamen Verdunstung eines Verdünners (mittlerweile üblicherweise Wasser) erzeugen, nicht in einer Art Druckprozess erzeugen könnte?

Der Gedanke an aufklebbare, extrem matte Folien ist nicht völlig neu. Die Firma Acktar sagt dem ein oder anderen aus dem Optikbereich, der mit Produkten von Edmund Optics arbeitet, vielleicht etwas. Damit kommen wir aber schon in den Bereich der „Rocket Science“, will sagen hochwissenschaftlichen Anwendungen, bis hin zur Weltraumtechnologie. In die Erdumlaufbahn gehen auch die Preise für solche Produkte und auch deren Sensibilität, denn es werden diese Strukturen doch meist auf einem Hauch von Aluminiumfolie (0,2 mm stark) erzeugt.

https://www.acm-coatings.de/produkt-kate...ien-filme/

Die Firma Koyo Orient Japan aus Haraichi (rund 30 km nördlich von Tokyo) vertreibt diese neuentwickelten Folien, die im Vergleich zum obigen Material richtig robust sind. Die Grundlage ist ein 0,37mm dünner Urethanschaum, der sich auf einer selbstklebende Folie hauchdünn wiederfindet und auf dem ein Mikrorillensystem mit sehr großer Oberfläche appliziert ist, dass das Licht extrem effektiv blockiert. Die Urethanfolie ist dabei so dünn, dass sie zwar enorm lichtabsorbierend ist, aber selbst teilweise lichtdurchlässig. Also muss sie auf einem lichtdichten Untergrund aufgebracht werden. Dann klingen die Spezifikationen aber hervorragend: Flexibel, grifffest und unempfindlich, sehr gute Klebehaftung auf vielen (ok - glatten, nicht kreidenden, fettfreien) Untergründen. Allerdings gibt es auch hier eine Einschränkung: Die Mikrostruktur ist linear angeordnet (also quasi in Rillen), der streifende Lichteinfall sollte also optimalerweise quer zu diesen Rillen erfolgen.
Aber selbst längs dieser Rillen soll die Lichtabsorption sehr effektiv sein. Und das Kuriose: Obwohl die Folie erst 2018 anwendungsfertig wurde, kann man sie schon 6 Monate später bei Amazon kaufen (also nicht Amazon-Deutschland, aber Amazon-Japan). Schöne neue Welt ...

Diese Urethanfolie nennt sich „Fineshut Kiwami“ und mittlerweile gibt es auch eine englische Website dazu:
https://www.ko-pro.black/product/fs-kiwami/

Wenn auf ein bisschen mehr Japanstyle steht wird hier fündig:
https://s406aaf278939d21e.jimcontent.com/download/version/1565145949/module/7689562364/name/[u]ファインシャットカタログ190710.pdf[/u][u]

oder hier:
https://www.ko-pro.tech/181224/

https://www.ko-pro.tech/190516/
https://www.ko-pro.tech/fine-shut-kiwami/

Mit einem Webseitenübersetzer wird das aber für die Neugierigen ganz passabel lesbar, wenn auch die japanische Sprache viele bildhafte Formulierungen enthält, die Google Translate und Co. gehörig ins Schleudern bringen. So lautet zum Beispiel dessen direkte Übersetzung des Produkts „Gut verschlossene Stange“ - aha!

Nun, man könnte es auch  大きく開いた財布 = Ōkiku aita saifu = „weit geöffneter Geldbeutel“ taufen, denn grundsätzlich ist das Zeug sehr teuer. Zwar hören sich sich ~0,15 € für 1 cm² erst mal billig an, aber man kann sich das ja mal für seinen Tubus ausrechnen.

Deswegen empfehlen die Entwickler (original wurde es für Gegenlicht- oder Streulichtblenden an Teleobjektiven und das Innenleben von DSLR Kameras entwickelt) die Folie eben an den hochkritischen Stellen, an denen Streulicht nah am Fokus auftaucht anzubringen.

Als nach wenigen Tagen der kleine Streifen aus Japan hier ankam, war ich echt überrascht, wie filigran das ist. Viel eher wie hauchdünnes Seidenpapier ... und man kann tatsächlich hindurch sehen.
Aber es ist viel robuster als es aussieht. In gewissen Grenzen ist auch leicht dehnbar (wobei das zu Lasten der Eigenschaften geht) und leider zieht es - wie Black 3.0 - Schmutz magisch an. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man einfach jede Fluse auf der matten, amorphen Oberfläche erkennen kann.
Nun kann man zwar auf der Oberfäche wischen und bürsten, die kann das gut ab, nur dummerweise beeindruckt das den meisten Schmutz dort überhaupt nicht. Er krallt sich einfach weiterhin in die Mikrostruktur und wischt man mit (noch) mehr Kraft, drückt man den Schmutz erst recht hinein.

Die Rettung kam als ich bei einem Reinigungsversuch den notwendigen lichtdichten Hintergrund (das Material ist ja teilweise lichtdurchlässig) den ich mit Klebeband fixiert hatte, entfernte. Beim Abziehen blieben dort paar Farbpartikel von meinen Fingern, die von den Malaktionen am Nachmittag stammten, kleben. Könnte ich nicht so auch die Flusen abziehen?
Yeah, ich hatte soeben die Fusselrolle neu erfunden. Und es klappte sehr gut. Natürlich braucht man das passende Klebeband (nicht zu viel und nicht zu wenig Klebekraft und Kleber selbst darf sich nicht ablösen), aber hat man das, kann man die Urethanfolie oft regenerieren.

So sieht der „Lasertest“ mit diesem Fineshut aus. Boah - da taucht nun gar nichts mehr auf im Austrittswinkel und drum herum auf. Da ist so wenig zu sehen, dass ich zum besseren Verständnis nochmal ein Tageslichtfoto, in das ich hineingemalt habe, zeige, damit klar ist was man sieht, bzw. was man nicht sieht. Auch das ist natürlich nicht wissenschaftlich zu verstehen. So ein Laserlicht ist ja beispielsweise nur in einer Wellenlänge und kohärent, in der Realität kommt so etwas ja nicht vor. Die Tendenz wird aber schon deutlich (mehr soll nicht sein).

   
Das ist der Laserreflex im Dunkeln. Die „Linien“ sind offenbar die Interferenzen des Laserlichts mit der Folie beziehungsweise mit dem Untergrund.

         
Und das ist die Situation und der Aufbau im Hellen.

Zum Vergleich nochmal:

   
Die Berger-Astrofarbe die eigentlich recht gut abgeschnitten hat.

   
Black 2.0

   
Black 3.0

   
und jetzt nochmal die Folie.
Das Erstaunliche ist: Die Absorptionsleistung geht, nach den Messungen aus Japan, durch das gesamte visuellen Spektrum (380-780 nm) hindurch, bis in einen Wellenlängenbereich von 2500 nm, also sehr weit ins Infrarote hinein.

So, das ist sie nun, die schwärzeste (zweidimensionale) Oberfläche des Planeten (Vantablack außen vorgelassen). Darüber geht nichts mehr. Rechnerisch natürlich schon, aber der Unterschied wird für das menschliche Auge nicht mehr feststellbar sein.

       

   
Wenn man Reflexe provozieren will, dann gelingt einem das natürlich dennoch. Hier ist das Ganze aus 10 cm Entfernung mit Blitz und digital aufgehellt fotografiert. Das ist also immer noch kein schwarzes Loch (oder schwarzes Brett), aber man kommt schon sehr nahe an eine Oberfläche ran, die im visuellen Eindruck, in nahezu jeder Situation sehr matt wirkt. Natürlich wird es Materialien geben die da immer noch drüber kommen aber das geht jetzt hier viel zu weit.
Angestoßen wurde das ganze Jahr durch den Umbau meines TAL–250K und der dort erfolgten Mattierung mit Black 2.0. Parallel entwickelt es sich dann im blauen Forum eine Diskussion über Tubus Mattierungen, bei der ich einfach nur ein paar Sachen beitragen wollte und die dann über 12 Seiten einen sehr verbissen, fast schon zwanghaften, Verlauf genommen hat (http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC...hichpage=1) Das ist schade, zeige mir aber nochmal dass das Forum Stellarum irgendwie anderes läuft. Ich habe mich mit Ralf schon mal drüber unterhalten (nicht zu dem Thema hier, sondern schon früher, und wir kamen beide zu dem Eindruck dass es in den großen deutschen Foren oft sehr verbissen und „verbohrt“ zugeht. Auf CloudyNights oder in anderen amerikanischen Foren erlebe ich so etwas, ähnlich zu Ralf, auch mehr viel als „easy going“. Insofern ist das hier vielleicht amerikanisch(er) als woanders, oder fränkisch: „Bast scho!“

Die Anfangsfrage lautete ja: Wie schwarz ist schwarz?
Die Antwort ist so einfach wie schwierig: Einfach nur schwarz.

Vielleicht zieht der ein oder andere hier (aktuell oder zukünftig) einen gewissen Profit daraus. Für mich hat sich (wieder einmal) eine Menge geklärt und das Universum ist, in dem Fall, mal ein Stück schwärzer geworden. Vielleicht folgen hier noch ein, zwei Beiträge meinerseits (Ist ja schon fast ein Schlusswort), vor allem wenn es um die Zusammenstellung, den Vergleich und objektivierbarere Untersuchungen der Farben geht. Eine neues Schwarz wird aber nicht mehr auftauchen.

Andreas-TALi[/u]
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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RE: Wie schwarz ist schwarz? - Test & Vergleich - von Andreas-TAL - 28.08.2019, 08:57



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